Rezension

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"Bei Reinekes Eiern!"

Der Hof der Wunder - Kester Grant

Der Hof der Wunder
von Kester Grant

.... würde ich sagen, wenn ich aus dem Buch zitieren darf! Aber warum fange ich nicht von hinten an, wo geschrieben steht:"Sie nimmt meine Hand, und ich spüre Bedauern, Vergebung und Liebe. Sie verweben sich in meinem Kopf, wickeln sich Fäden gleich um uns...." Das wäre dann auf der vorletzten Seite dieses Romans endlich eine greifbare Erklärung für das, was im Kopf der Autorin wirklich vorgegangen sein könnte.

Eigentlich versprach der Rückentext eine Alternativwelt im Paris des beginnenden 19. Jahrhunderts, in der die Französische Revolution gescheitert ist, der Adel weiterhin in Dekadenz und das restliche Volk in Armut lebt. Neun verbrecherische Gilden haben die Stadt unter sich aufgeteilt, jede beherrscht ihr Handwerk (Mord, Diebstahl, Prostitution, Drogenhandel, Schmuggel, Bettelei --ups, ich merke gerade, da fehlen mir drei-- und damit man sich nicht gegenseitig ins Gehege kommt, herrschen Regeln und Gesetze, die von den jeweiligen Gildenherren überwacht werden und eventuelle Delinquenten bestraft.

Die Gildenherren treffen sich im Hof der Wunder, dort, wo sich Nina hinrettet, als sie befürchten muss, genauso wie ihre Schwester, von ihrem eigenen Vater an die Gilde des Fleisches verkauft zu werden. Die Diebesbande nimmt sie auf und nun darf Nina zu einer attraktiven, sehr geschickten, allen jungen Männern den Kopf verdrehenden, Mutter Teresa für die blonde Nettie, heranwachsen und Pläne schmieden, wie sie ihre Schwester Azelma aus den Klauen der Zuhälter befreien kann. Sie kommt auf die gloreiche, aber leider nicht bis ins Detail durchdachte, Idee, die bildhübsche, aber strunznaive Nettie im Austausch anzubieten, bekommt Gewissensbisse und von allen Seiten unerwartete und (wer hätte das gedacht) männliche Hilfe.

Nicht nur eine Hungersnot, sondern auch eine Bande studentischer Aufrührer bricht über Paris herein. Mal eben zu Besuch im Palast, weil man Brot stehlen will, lässt man sich frisieren und ankleiden und dem ebenfalls gutaussehenden Thronfolger den Kopf verdrehen, der dann auch prompt, Kutschen voll Brot ins Volk entsendet.

Nettie muss nun untertauchen, das soll sie bei den Bettlern tun, wird aber scheinbar aufgespürt und vor Ninas Augen verschleppt, die ihr im Schnee verzweifelt hinterher rennt und sich sogar für einen Angriff auf den vermeintlichen Übeltäter auspeitschen lässt. Aber Achtung lieber Leser, lass dich nicht in die Irre führen, die Autorin hat ihr eigenes Drehbuch nicht gelesen.

Die Geschichte wimmelt von Logikfehlern und Wortwiederholungen. Für Kenner der Französischen Revolution und Victor Hugos Buch "Die Elenden" mag es hilfreich sein, dass sämtliche Protagonisten die Namen dieser Franzosen tragen, die Handlung des Buches stiftet genug Verwirrung. Die Gepflogenheit der Autorin ihren 4 Abschnitten jeweils ein Dschungelbuchzitat und eine Geschichte voranzustellen, war wohl eher als Seitenfüller gedacht. Im Dschungelbuch soll Mogli zu den Menschen gebracht werden und er wehrt sich, in dieser Welt will Nettie beim Adel bleiben. In den Geschichten wird penetrant von Isegrim dem Eber gesprochen, doch Reineke ist der Fuchs, dann hätte verdammt noch mal Isegrim der Wolf sein müssen. Zeitweilig habe ich mich sowieso eher wie in der Zoohandlung, denn wie unter richtigen Menschen gefühlt.

Nicht nur der Verdacht, dass das Buch aus Versatzstücken zusammengeschrieben wurde, sondern auch, dass Grant sich nicht zwischen Liebesschnulze und blutrünstigem Gemetzel entscheiden konnte haben mir das Lesen nicht leicht gemacht. Ich mag der Frau zugutehalten, dass es ihr Erstlingswerk ist, möchte aber doch zu einem besseren Lektorat raten. Ich möchte davon keine Fortsetzung lesen. Außerdem enthalte ich  mich einer Bewertung, da ich wahrscheinlich zu hart urteile und es genügend Leser gibt, die Spass an solchen Geschichten haben.

Kommentare

lex kommentierte am 15. Januar 2020 um 18:46

Okay. Bin jetzt doch froh, dass ich es bei Netgalley nicht anfragte.