Rezension

Beklemmend

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von Hanna Bervoets

Bewertet mit 4 Sternen

Das Cover zusammen in Kombination mit dem Titel fand ich spannend. Das schien für mich erst nicht zusammenzupassen, aber es hat mich auch sehr neugierig gemacht.

 

Kayleigh arbeitet bei einer großen Internet Plattform namens Hexa und ihre Aufgabe und die ihrer Kollegen ist es, Beiträge, die von anderen Nutzern gemeldet werden, zu prüfen und gegebenenfalls zu löschen.

Die Arbeitsbedingungen sind strikt und sehr hart, minutiös geplante Pausen, keinerlei Papier, Stifte oder gar Handy und teilweise utopische Vorgaben, wieviel Tickets, also Beiträge man schaffen, bewerten und abarbeiten sollte.

Allein das ist schon sehr gruselig und da sich jeder ausmalen kann, welche Art von Beiträgen sie sich den ganzen Tag ansehen und nach Richtlinien beurteilen müssen, hatte ich die ganze Zeit beim Lesen ein flaues Gefühl im Magen.

Es werden auch einige Beispiele genannt, die mich auch sehr schockiert haben, einerseits fand ich gut, dass diese schlimmen Beispiele auch benannt werden, auf der anderen Seite habe ich mich gefragt, ob das wirklich so drastisch, so verstörend sein muss. Letztendlich habe ich gedacht, ja, weil nur in dieser harten, beklemmenden Aussage es vielleicht wirklich wachrüttelt.

 

Kayleigh verliebt sich in ihre Kollegin Sigrid und ich fand es sehr beeindruckend und gut, wie unterschiedlich die beiden mit ihrer Arbeit umgehen. Während Kayleigh, nicht unsympathisch, aber für mich schwer zu fassen, mit einer fast schon neutralen Kühle und Distanziertheit die grausamen Videos nach ihren teilweise für mich absurden Richtlinien bewertet, belastet Sigrid die Arbeit immer mehr. Auch bei den Kollegen, die sich mittlerweile fast jeden Abend in einer Bar treffen, um mit Alkohol vermeintlichen Abstand zu bekommen werden die Auswirkungen auf den unterschiedlichsten Arten immer mehr deutlich. Ich fand das sehr eindrucksvoll und ich war mehr als einmal erschüttert. Das hat für mich gezeigt, wie aufwühlend, irreführend und verstörend diese Beiträge gerade im Nachgang wirken. Auch Kayleigh sucht, so scheint es mir, Trost und Ablenkung im Alkohol und Sex.

Das Buch beginnt damit, dass Kayleigh, die inzwischen ihre Arbeit gekündigt hat, einen Brief an einen Anwalt schreibt, der sie offensichtlich überzeugen will, an einer Sammelklage gegen den Konzern teilzunehmen. Kayleigh will das nicht und versucht anhand dieses Briefes eine Erklärung ohne jedoch damit in irgendeiner Form zu einer Gerichtsverhandlung beitragen zu wollen.

Diese Art und Weise eines Berichtes fand ich sehr gut! Ich war erst ein bisschen skeptisch, weil das Buch auch so eine geringe Seitenanzahl hat, und tatsächlich hätte ich mir hier und da etwas mehr Informationen gewünscht, allerdings weiß ich nicht, ob genau das dann die Wirkung dieses Romans gemildert hätte. Ein bisschen wurde aus Kayleigh Vergangenheit erzählt, so dass ich mir zumindest etwas ein Bild von ihr machen könnte. Gerade bei einer Szene im Buch, habe ich auch gemerkt wie sehr die Arbeit Kayleigh schon beeinflusst und auch verändert hat.

 

Der Schluss hat mich zunächst ehrlich gesagt etwas verwirrt und mich ratlos zurück gelassen, aber auch hier hat er mir im Nachhinein gefallen!

Es ist ein schonungsloses, kurzes und hartes Buch und mir hat es so einiges abverlangt, aber ich finde dieses Buch wichtig und aufrüttelnd. Der Fokus liegt vielleicht ein bisschen zu viel auf der Beziehung zwischen Sigrid und Kayleigh, obwohl das auch schon einiges für mich aussagt. Auf jeden Fall ist es ein Buch, was ich nicht so schnell vergessen werde und bei mir noch lange nachwirkt.

 

Die Autorin erklärt ganz am Ende, dass dieser Roman zwar fiktiv ist, aber reale Übereinstimmungen alles andere als zufällig sind. Die aufgelisteten Quellenangaben, die sie für ihre Recherchen genutzt hat, bereiten mir allein schon beim Lesen der Titel Gänsehaut und sprechen für sich.