Rezension

Beklemmend, spannend, komisch... Die ganze Welt auf 12 Quadratmetern.

Raum - Emma Donoghue

Raum
von Emma Donoghue

Bewertet mit 4 Sternen

Pro:
Die Grundidee für "Raum" ist bestechend: ein kleiner Junge hält die 12 Quadratmeter, in denen er sein kurzes Leben bisher verbracht hat, für die ganze Welt, weil seine Mutter es ihm so erklärt hat. Er hat keine Ahnung, dass die Dinge, die er im Fernsehen sieht, "in echt" sind. In seiner Unschuld ist ihm nicht klar, dass Ma und er Gefangene sind, und warum der Alte Nick, der über alles bestimmt, nachts zu seiner Mutter ins Bett steigt... Er vermisst nichts, denn er kennt es nicht anders.

Als Leser wird einem schnell klar, in was für einem Albtraum Jack und seine Mutter eigentlich leben, und dass dahinter ein ungeheures Verbrechen steht. Man fragt sich gespannt und beklommen, wie es weitergehen wird - werden die beiden den Rest ihres Lebens in Raum verbringen müssen, oder werden sie noch flüchten können oder gerettet werden? Und falls ja, wird Jack mit der großen weiten Welt außerhalb dessen, was er kennt, überhaupt klarkommen?

Ich konnte das Buch gar nicht mehr weglegen - zum einen, weil ich unbedingt wissen wollte, wie es ausgehen würde, und zum anderen, weil mir Jack so ans Herz gewachsen ist. Er ist ein lieber kleiner Kerl, sehr aufgeweckt und kreativ. Einerseits scheint er seinem Alter weit voraus zu sein, da seine Mutter sich 24 Stunden am Tag mit ihm beschäftigt und ihm vieles beibringt. Andererseits ist er weit hinterher, da ihm ja vieles an Reizen und Sozialisierung fehlt, was Kinder zu ihrer Entwicklung brauchen.

Seine Mutter tut ihr Bestes, um ihrem Kind ein möglichst schönes Leben zu bieten: sie denkt sich immer wieder neue Spiele aus, bastelt Spielsachen mit ihm und versucht, ihn vor der grausamen Wahrheit abzuschirmen. Das habe ich wirklich an ihr bewundert. Ja, sie hat zwischendurch Phasen, in denen sie einfach die Decke über den Kopf zieht und sich weigert, aufzustehen oder sich mit Jack zu beschäftigen, sie ist manchmal wütend und agressiv, aber mal ehrlich - das kann man ihr in einer solchen Extremsituation nicht übelnehmen.

Man sollte meinen, dass es langweilig wird, zwei Menschen auf engstem Raum beim Leben zuzusehen, aber das ist es nicht, und das ist meiner Meinung nach eine ganz große Leistung der Autorin!

An den Schreibstil musste ich mich erst gewöhnen, fand ihn dann aber fantastisch: es ist Jack, der uns die Geschichte in seiner ganz eigenen Sprache erzählt. (Das war sicher eine echte Herausforderung für den Übersetzer!) Natürlich in eher einfachen Worten, er ist schließlich erst fünf Jahre alt, aber auch erstaunlich packend und oft ziemlich witzig.

Kontra:
Das Ende kam mir ein wenig zu abrupt und ließ vieles offen, was ich gerne noch erfahren hätte.

Zusammenfassung:
Wer sich darauf einlassen kann, die Welt durch die Augen eines ungewöhnlichen Kindes zu sehen, und eine Geschichte, wie man sie sonst in Thrillern findet, mal völlig anders erzählt zu bekommen - mal traurig, mal bedrückend, aber oft auch komisch und unerwartet lebenslustig, der sollte zumindest mal in die Leseprobe reinlesen.