Rezension

Beklemmende und fesselnde dystopische Welt, aber leider keine überzeugende Liebesgeschichte

Palace of Glass - Die Wächterin
von C. E. Bernard

Insgesamt konnte mich „Palace of Glass“ überraschen und mit seine detailliertem dystopischen Setting für sich begeistern. Die Liebesgeschichte konnte mich aber nicht überzeugen.

Und jetzt endlich begreife ich, warum sie es uns verbieten: Küsse, Berührungen. Es geht ihnen gar nicht darum, ihren Geist zu schützen. Es geht ihnen nicht einmal darum, ihre Herzen zu schützen. Nein, der Grund ist ein ganz anderer: Sie wissen, dass all ihre Repressalien niemals dagegen ankommen. Gegen die Macht eines einzigen Kusses.

Nachdem die Existenz von Menschen, die über bloßen Hautkontakt Gedanken lesen und manipulieren können, weltweit bekannt wurde, wurde körperliche Nähe in den meisten Ländern, verboten. Rea Emris lebt in ständiger Furcht davor, ihr wahres Ich nicht länger verbergen zu können und von dem Überwachungssystem der Monarchie als eine solche Magdalena identifiziert zu werden. Ihrem Drang nach Berührung kann sie nur im Untergrund bei illegalen Straßenkämpfen nachkommen. Doch ihr Talent bleibt dem britischen Geheimdienst nicht lange verborgen und sie wird gedrängt, ausgerechnet dem Sohn ihres Unterdrückers, dem Kronprinzen von England, als Leibwächterin zu dienen. In der Höhle des Löwen kann sie sich nie sicher sein, wem sie vertrauen kann.

Meine Meinung 

„Palace of Glass“ ist der Auftakt einer Fantasyreihe, die in einem dystopischen Setting spielt. C. E. Bernard nimmt ihre Leser mit in ein fiktives London der nahen Zukunft, das sich zugleich durch Fortschrittlichkeit als auch Rückständigkeit auszeichnet. Menschen mit besonderen Gaben, für die sie in der Vergangenheit als Hexen verbrannt wurden, werden seit dem Jahr 2028 wieder verfolgt. In den meisten Ländern wurde eine absolute Monarchie eingerichtet und der Bevölkerung jegliche politische Mitbestimmugs- und wesentliche Freiheitsrechte entzogen. Die Königshäuser nutzen neuste Technologien zur grenzenlosen Überwachung und Repression der Bevölkerung. Einschränkende und verhüllende Kleidung, strenge Verhaltensvorschriften und das Tabuisieren gesellschaftlicher Vergnügen sollen die Menschen daran hindern Körperkontakt auszutauschen. Dieser negative Gesellschaftsentwurf in Verbindung mit interessanten und gut durchdachten Fantasyelementen ist wirklich mal etwas Neues, das mich überraschen und fesseln konnte. Die detaillierte Beschreibung der dystopischen Welt und der Magdalenen nimmt im ersten Band einen großen Rahmen ein, wodurch ich mich ganz mitreißen lassen konnte. Das einzige, das mir fragwürdig vorgekommen ist, weil es nicht hinreichend begründet wurde, war, dass so viele Länder in kürzester Zeit zur Monarchie zurückgekehrt sind. Zudem wurden mir manche Aspekte zu oft widerholt.

Überzeugen konnte mich auch die Protagonistin Rea und viele der eigenwilligen Nebencharaktere. Rea hasst ihre Gabe und das mit ihr verbundene Verlangen nach Berührung, das sie nur kurzzeitig durch ihr rotes Seidenband stillen kann. Ihr Verzehren nach körperlicher und mentaler Nähe spielt daher eine große Rolle und wird stark thematisiert. Nur langsam lernt sie, ihre wahre Natur anzunehmen und für das zu kämpfen, was sie will. Dadurch, dass die Geschichte allein aus ihrer Perspektive erzählt wird, bekommt man einen guten Eindruck von ihrer prägenden Vergangenheit, ihren Gefühlen und Zweifeln. Unnachvollziehbar war mir leider nur die Liebesgeschichte, die sich zwischen ihr und dem unnahbaren Prinzen anbahnt. Außer den tiefen Blicken, die er ihr zuwirft, habe ich nicht viel gefunden, was erklären könnte, warum sie sich zu ihm hingezogen fühlt. Charakterliche Gemeinsamkeiten teilt sie eher mit anderen Charakteren. Robin ist mir mit seiner Selbstmitleidsmasche und Bereitschaft, andere Personen für sein Vergnügen unnötigen Gefahren auszusetzen, insgesamt nicht wirklich sympathisch geworden. Wo Rea alles für ihn wagt, geht er nicht ein Risiko für sie ein. Bis zum Ende habe ich gehofft, noch etwas mehr in ihm zu entdecken.

Insgesamt konnte mich „Palace of Glass“ überraschen und mit seine detailliertem dystopischen Setting für sich begeistern. Ich bin sehr gespannt, wie die spannende Geschichte in den Folgebändern weitergeht. Kann es doch noch einen Weg aus dem Unterdrückungssystem geben? Ich hoffe allerdings sehr, dass mich die Liebesgeschichte dann auch noch packen kann.