Rezension

Beklemmendes Buch über Rassismus, Ungerechtigkeit, Willkür und Angst. Bewegende Themen, aber durch die überwiegende Nacherzählung von Ereignissen wenig fesselnd und ergreifend.

Unsre verschwundenen Herzen
von Celeste Ng

Bewertet mit 3.5 Sternen

Bird ist ein zwölfjähriger Junge, der zusammen mit seinem Vater auf dem Campus der Universität Harvard lebt. Seine Mutter, eine Dichterin, ist asiatischer Herkunft und seit drei Jahren verschwunden. Bird selbst wird aufgrund seines Aussehens argwöhnisch betrachtet und begreift erst nach und nach, was der Hintergrund dafür ist. 
Vor zehn Jahren wurde das Land von einer nationalen Krise erschüttert, weshalb ein neues Gesetz - PACT = Preserving American Culture and Traditions - ein Gesetz zur Wahrung der amerikanischen Kultur erlassen wurde. Dies sollte vor allem den negativen Einfluss aus China zurückdrängen. Personen asiatischer Herkunft haben deshalb mit enormen Vorurteilen und Diskriminierung zu kämpfen, werden als unamerikanisch und illoyal betrachtet. Als Mittel der Bestrafung, um die Menschen mundtot zu machen, wird ihnen das Sorgerecht für ihre Kinder entzogen. Die Kinder werden meilenweit entfernt in Pflegefamilien untergebracht. 
Bird hat gelernt, dass er nicht auffallen darf und dass er seine Mutter und ihre Lyrik verleugnen muss, um keinen Ärger zu provozieren. Dennoch macht er sich auf die Suche nach ihr, denn sie hat ihm eine Botschaft hinterlassen, wo er sie finden kann. 

Der Roman ist zunächst aus der Sichtweise des 12-jährigen Jungen Bird geschrieben, bevor die Perspektive auf seine Mutter Margaret Mui wechselt. Bird ist ein Außenseiter, der seine Mutter vermisst und sie wiederfinden möchte. Auf seiner Suche nach ihr gelangt er an eine Bibliothekarin und lernt ein raffiniertes Netzwerk für Botschaften kennen, wodurch er zu seiner Mutter gelangt. Auf seine Nachfragen erzählt sie ihm von der Zeit der Krise und was sie bewogen hat, die Familie zu verlassen. Auslöser ist eine ihrer Gedichtzeilen "Unsre verschwunden Herzen", die viral ging. 

Es ist eine traurige Familiengeschichte, die in dem dystopischen Amerika beispielhaft für viele Familien asiatischer Wurzeln steht, die auseinandergerissen werden. Es ist eine Zeit der Angst, in der ein übersteigerter Patriotismus und Nationalismus herrscht und in der Menschen asiatischer Herkunft stigmatisiert und diskriminiert werden. Die Menschen stehen unter Beobachtung, werden indoktriniert und für angeblich unpatriotisches Verhalten und antiamerikanisches Gedankengut bestraft. Zensur und die Unterdrückung selbst friedlicher Proteste sind an der Tagesordnung. 

Es ist ein erschreckendes Szenario, das skizziert wird, und an den Holocaust und die Verfolgung jüdischer Menschen erinnert, die als Sündenbock herhalten mussten. Beängstigend ist zudem, dass diese Herabwürdigung und Verfolgung anderer Menschen aus einer Krise heraus entstanden ist, was die Geschichte aktuell und real macht und deshalb als Warnung verstanden werden kann. 

Da die Krise und ihre Folgen überwiegend in Rückblenden erzählt werden, ist der Roman im Vergleich zu einer lebendigen Erzählweise nicht so fesselnd und emotional und schöpft nicht das volle Potenzial der Geschichte aus. 
Das Buch ist stark von Themen wie Unterdrückung, Ungerechtigkeit, Rassismus, Willkür und Angst und weniger von einer aktiven Handlung und Charakterentwicklung bestimmt. Auch wenn am Ende ein spannender Abschnitt gesetzt wird und sich der Kreis zwischen Mutter und Kind schließt, fehlt trotz Heldenmuts ein Funken Hoffnung und Aussicht auf Veränderung.