Rezension

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Beklemmendes Debüt mit enttäuschendem Ende

Das wirkliche Leben - Adeline Dieudonné

Das wirkliche Leben
von Adeline Dieudonné

Ein namenloses Mädchen und ein Junge, deren Heranwachsen unter keinem guten Stern steht. Eine triste Reihenhaussiedlung, ein gewalttätiger Vater, eine charakterlose, sich wegduckende Mutter und ein Unfall, der dem Jungen das Lachen raubt.

So beginnt die Handlung von "Das wirkliche Leben", und hinterlässt auch nach der Lektüre einen faden Beigeschmack beim Leser. Trotz Happy End lässt sich der Eindruck nicht verdrängen, dass den Geschwistern zu viel Leid widerfahren ist, um sich vollkommen  von ihrer belasteten Vergangenheit zu lösen. Dabei startet das Romandebüt stark, schafft das mal mehr mal weniger subtile Gefühl einer stetig herannahenden Katastrophe und zeichnet das überzeugende Bild einer Protogonistin, die sich selbst helfen muss, um Hilfe zu erfahren. Sie wächst während der Geschichte vom Mädchen zu Frau heran und stellt sich mutig gegen ihren Vater, der der Familie seine Kontrolle aufzwingt.

Die Stärken des Buches liegen für mich besonders in den Sprachbildern: Verträumten Metaphern, aber auch Formulierungen, die vollumfänglich die Tristesse und Zukunftslosigkeit der beiden Kinder beschreiben. Kontrastiert wird die Düsternis durch den Optimismus und die wache Intelligenz der jungen, heranwachsenden Protagonistin, die sich von Rückschlägen nicht entmutigen lässt und sich in ihrer feindlichen Umwelt Bastionen der Sicherheit und Unterstützung schafft. Trotz konstant hoher Spannung hat mich das Ende des Buches enttäuscht. Da die Protagonistin in einem der letzten Kapitel quasi einen Verrat an einer Unterstützungsperson begeht, aus diesem viel Energie zieht und sich nicht komplett aus eigener Kraft rettet, finde ich es schwierig, von einer völlig geglückten Emanzipation zu sprechen. Auch bleibt unklar, warum es für die pfiffige Protagonstin keine Option darstellt, Hilfe von außen anzunehmen, obwohl sie ihr angeboten wird. Unterm Strich ein Buch, das den Fokus auf gute Unterhaltung und Spannung legt, aber irgendwie hat mich der Klappentext mit der Formulierung "Coming-of-Age-Geschichte um ein Mädchen, das sich aus der weiblichen Opferrolle befreit", mehr erwarten lassen. Trotz Happy End hallt das Beklemmende der Geschichte noch lange nach.