Rezension

Bemerkenswertes Debüt, ernstes Thema, locker geschrieben

Der Platz an der Sonne - Christian Torkler

Der Platz an der Sonne
von Christian Torkler

Bewertet mit 4 Sternen

Ein aus mehreren Gründen bemerkenswertes Buch ist dem deutschen Autor Christian Torkler (47) mit seinem Debütroman „Der Platz an der Sonne“ gelungen. Mit dem Flüchtlings- und Migrationsproblem greift er zwar ein nicht mehr neues, vor allem in Deutschland viel diskutiertes und von Journalisten abgearbeitetes Thema auf. Doch gelingt es ihm mit seinem überraschenden Ansatz, die Problematik aus völlig neuer Sichtweise zu betrachten: Bei ihm zieht es nicht die politisch verfolgten und unter schwierigsten Wirtschaftsverhältnissen lebenden Einwohner Afrikas in das aus ihrer Sicht paradiesische Europa. Torkler dreht den Spieß einfach um und erschafft in seinem Roman die total „verkehrte“ Situation eines nach dem dritten Weltkrieg endgültig zerstörten, in mehrere Länder aufgeteilten Deutschlands und eines im üppigen Wohlstand lebenden Afrikas. Jetzt sind es die Deutschen, die auf dem schwarzafrikanischen Kontinent ihren „Platz an der Sonne“ suchen.

Berlin, die Hauptstadt der Neuen Preußischen Republik, liegt 1978 in Trümmern. Die Republik wird seit Jahren von wechselnden korrupten Politikern beherrscht, die sich vor der nur scheinbar demokratischen Wahl als Wohltäter aufführen, doch kaum an der Macht sich wie ihre Vorgänger schamlos bereichern. In dieser korrupten Welt lebt der junge Josua Brenner, der ohne Ausbildung, aber voller Tatendrang versucht, sein Leben zu meistern und sich zunächst mit Aushilfsjobs, später mit dem Betrieb einer Kneipe seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Doch wo Korruption herrscht, regiert auch das Verbrechen. Als Ganoven Josuas Kneipe abfackeln, zieht es auch ihn wie zuvor viele seiner Landsleute in den Süden, um sich in einer besseren Welt ein besseres Leben aufzubauen.

Das Bemerkenswerte an Torklers Roman ist nicht nur die überraschende Perspektive auf das Flüchtlingsproblem durch schlichte Verkehrung der Realität, sondern die uns dadurch gebotene Möglichkeit, jene uns doch so fremden Alltagsprobleme im fernen Afrika nachvollziehbarer zu verstehen – nach dem Motto „Was wäre,wenn“. Dabei hätte es gar nicht eines dritten Weltkrieges bedurft, um diese Situation zu verdeutlichen, ähnelt doch so manches den Jahren im und nach dem zweiten Weltkrieg, als viele Deutsche zunächst aus politischen, später aus wirtschaftlichen Gründen ins Ausland flohen, um sich dort ein besseres Leben aufzubauen. Strebt nicht jeder Mensch nach einem friedlichen, unbeschwerten Leben frei von Verfolgung, Zwang und Hunger? Ist es nicht der natürliche Selbsterhaltungstrieb eines jeden, für sich und seine Familie sorgen zu wollen? Doch vielleicht braucht nach bald 75 Jahren die heute in Wohlstand sorglos aufgewachsene Leserschaft diesen neuen Gedankenanstoß?

Autor Christian Torkler stammt aus einer Greifswalder Pfarrersfamilie und lebte von 2002 bis 2009 im afrikanischen Tansania. Er weiß also, wie Menschen unter politischem Druck, aber auch unter wirtschaftlichem Elend leiden. Doch trotz dieser direkten Erfahrungen und Eindrücke verzichtet er in seinem Roman auf Anklagen, erschöpft sich nicht in schmerztriefender Beschreibung des Tragischen. Nein, er schreibt ungemein locker, frech und witzig. Bei allem Ernst des Themas darf und kann man beim Lesen oft schmunzeln. Nur hätte Torkler seinen Roman um einige Seiten straffen sollen. Gewiss dauert Josuas beschwerliche Flucht viele Monate, aber wir Leser brauchen wirklich nicht jeden Kilometer mitzulaufen. Doch von solchen Längen abgesehen, ist der Roman unbedingt lesenswert.