Rezension

Berlin zwischen den Weltkriegen

Goldstein - Volker Kutscher

Goldstein
von Volker Kutscher

Zum Inhalt: Gereon Rath, Mitarbeiter der Berliner Mordkommission, wird von seinem Chef zur Überwachung von Abraham Goldstein abgestellt. Dieser gilt in den USA als Killer, seine Motivation für den Aufenthalt in Berlin ist jedoch unbekannt. Zeitgleich brodelt es in der Hauptstadt: Verschiedene Verbrechergruppen, die eigentlich in relativ friedlicher Koexistenz nebeneinander existierten, beklagen Morde an ihren Mitgliedern. Rath wird in diese Vorgänge hineingezogen. Nicht nur, weil er selber einige Flecken auf seiner weißen Polizistenweste aufweist, sondern auch, weil seine Freundin Charly Kontakt zu einer Kleinkriminellen hat, welche zur Aufklärung übler Machenschaften innerhalb des Polizeiapparates beitragen könnte.

Zum Cover: Limousinen im Dunkeln – an einen konspirativen Treff von Unterweltlern glaubt man sofort.

Mein Eindruck: Nach einem fulminanten Auftakt ebbte der Spannungsbogen leicht ab. Kutscher nahm sich viel Zeit, die Strukturen von Polizei und Justiz der Weimarer Republik zu beschreiben. Dazu folgte eine ausführliche Schilderung der Berliner Schattenwelt – Gangsterbanden, Rotlichtmilieu, Obdachlose und Jugendliche ohne soziales Netz. Auch wenn ich diesen Teil des Romans als zäh empfand, war er für das Verständnis und den Fortgang einer dicht gewobenen und ausführlichen Geschichte absolut notwendig.Hier zeigt Kutscher ein großes und umfassendes Verständnis einer Zeit, die es den Menschen nicht einfach machte, ihre Integrität zu bewahren. Kurioserweise zeigt ausgerechnet der gesuchte und für den Roman namensgebende Verbrecher die größten Anwandlungen von Sitte, Menschlichkeit und Moral innerhalb der Wirren der Zeit.Sehr gut gefallen hat mir, wie Kutscher die unterschwellige Bedrohung durch die Nazis und Momente des Zeitgeschehens (z.B. Zusammenbruch der Banken) anhand seiner Figuren, ihrer alltäglichen Probleme und zwischenmenschlichen wie auch arbeitstechnischen Beziehungen darstellte. So war das Verständnis, dass ich für eine Zeit und ihre Menschen empfand, viel intensiver, als es eine einfache Schilderung der Geschehnisse vermögen könnte. Das unangenehme Gefühl, wenn man nur an die vielen Menschen jüdischen Glaubens denkt, die unmittelbar mit Rath und diesem Fall zu tun haben und das Wissen um die weiteren Vorgänge der späteren Jahre machten dabei zusätzlich beklommen.Ein wenig zu ausführlich ist mir die Beschreibung der Polizei mit den vielen Namen der Abteilungen und die für meinen Geschmack zu vielen handelnden Beamten geraten – dort verlor ich manchmal doch den Überblick.

Fazit: Ein Krimi, der durchaus als Spiegel der Zeit gelten kann, in der er spielt. Mit einer gut erdachten Protagonistenschar, die gerade durch ihre menschlichen Fehler absolut glaubhaft agiert. Trotz der Längen eine echte Leseempfehlung.