Rezension

Bernies Resterampe?

Abschiedsfarben
von Bernhard Schlink

Bernhard Schlink, der mit "Der Vorleser" schlagartig berühmt wurde, legt mit "Abschiedsfarben" einen Band mit neun Kurzgeschichten vor, die (laut Verlag) überraschen, verstören und beglücken sollen. Leider verfehlt Schlink diese Ziele. Alle drei.

Häufig, wenn ich eine Sammlung von Kurzgeschichten lese, beschleicht mich irgendwann ein ungutes Gefühl. Das Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmt mit diesen Geschichten. Und auch mit der Zusammenstellung, die allzu oft wie Resteverwertung wirkt. So ging es mir auch bei „Abschiedsfarben“ von Bernhard Schlink. Der neue Kurzgeschichtenband soll wohl ein Konzept haben, weil es um Tränen und Trauer, um Abschied und Schuld geht. Aber spätestens nach der dritten (von neun) Geschichten ließ mich Bernies Resterampe ziemlich ratlos zurück. Was ist nur aus dem Autoren geworden, der mit „Der Vorleser“ zu Weltruhm kam?

 

Sein Spätwerk verpackte Schlink minimalistisch, ruhig und klar. Gutwillige werden den Verzicht auf allzu spektakuläre stilistische Effekte loben, man könnte aber auch böse vermuten, der Autor habe es sich halt bequem gemacht in der Puschligkeit seines Weltruhms.

Doch sei’s drum, wenn’s denn spannend erzählt wäre … Ist es aber leider nicht. Immer wenn es interessant beginnt, kommt Schlink ziemlich rasch vom Kurs ab. Da schlingert und mäandert die Handlung so dahin, bis Sätze wie „Auch nackt war sie eine Schönheit“ die letzten Hoffnungen auf Besserung zerstören.

Romantisch oder kitschig geht es auch gerne zu, nach dem Abschied werden Briefe „voller Liebe und Schmerz“ geschrieben. Fast peinlich ist die Geschichte eines älteren Herrn, der eine viel, viel jüngere Frau liebt und sich in denkwürdigen Liebesgedanken ergeht: Er weiß, dass es besser wäre, sie zu verlassen. „Aber er wusste, dass er es nicht tun würde. (…) Liebe und mach, was du willst.“

 

Mehr als einmal hätte man von Schlink mehr erwartet: eine genauere Prüfung, einen kritischeren Blick, eine originellere Idee. Statt dessen wächst das Gefühl, dass da ein Autor im vorgerückten Alter die Schublade aufgemacht und all das herausgeholt hat, was sich angesammelt hat: Zum Sterben (Wegwerfen) zu viel, aber zum Leben (einen Roman?) zu wenig,

Dennoch halte ich tapfer bis zum Ende durch. Nach der letzten der rund 240 Seiten nehme ich Abschied, und zwar einen in düsterster Farbe: von dem Buch und (zumindest bis auf Weiteres) auch von Bernhard Schlink.

 

Letzter Nörgelsatz: Für diesen schmalen Band im handlichen Kleinformat sind 24 Euro – zumindest, wenn Sie mich fragen – ein stolzer Preis.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 09. August 2020 um 19:03

Bestimmt hast du diesen Preis aber nicht bezahlen müssen.

Kurzgeschichten sind selten gut.