Rezension

Berührend

Der Gesang der Flusskrebse - Delia Owens

Der Gesang der Flusskrebse
von Delia Owens

Bewertet mit 5 Sternen

Das Mädchen Kya ist erst sechs Jahre alt, als sie von ihrer Mutter verlassen wird. Sie lebt in einer kargen Hütte in der Marsch, einer Sumpflandschaft. Ihr Vater ist immer mal wieder ein paar Tage verschwunden, er trinkt und ist bis auf wenige Ausnahmen unzuverlässig und unberechenbar. Die Geschwister von Kya sind bereits vor der Mutter gegangen und als dann ihr Vater auch immer wieder länger untertaucht, ist Kya ganz allein auf sich gestellt.

 

Ich musste mir immer wieder in Erinnerung rufen, dass Kya erst sechs Jahre ist, dieses Warten darauf, dass ihre Mutter doch ganz bestimmt zurückkommt, obwohl sie ihre besten Schuhe und ihren Koffer dabei hatte, ist mir sehr nah gegangen. Gleichzeitig versucht die 6jährige sich an Sachen zu erinnern, die sie von ihren Geschwistern oder auch der Mutter gelernt hat, versucht sich im Kochen, im Wäsche waschen, später dann auch am eigenen Garten, um Gemüse anzubauen…Besonders bewegt hat es mich, als Kya in einen rostigen Nagel tritt und starr vor Angst ,aber trotzdem mutig versucht, sich selbst zu behandeln.

 

Dieses „Sumpfgesindel“ wie es im nahe gelegenen Städtchen heißt, ist jedoch nicht willkommen. Das weiß und spürt Kya jedes Mal, wenn sie mit anderen Menschen in Kontakt treten muss. Sei es beim nötigen Einkauf oder auch beim ersten und einzigen Versuch, die Schule zu besuchen. Ich hätte diese Leute gern geschüttelt! Ich war richtig froh, als Kya nachher die Möglichkeit gefunden hat ihre wenigen Lebensmittel und das Benzin für ihr Boot beim sympathischen Jumpin‘ zu bekommen und deswegen nicht mehr in die Stadt musste. Jumpin‘ wird als Dunkelhäutiger auch abgelehnt und er und seine Frau unterstützen Kya, ohne sie zu bevormunden. Diese „Gemeinschaft“ und Verbundenheit ohne große Worte hat mich sehr berührt. Der Roman spielt in den 50 zigern und die niederträchtigen Beschimpfungen, die sich Dunkelhäutige gefallen lassen mussten sowie die strikten Trennungen schnüren mir heute noch die Kehle zu.

 

Mitzuerleben, wie Kya langsam älter wird, immer besser ihr Leben im Sumpf meistert, aber auch lernt sich immer zu verstecken um nicht aufzufallen, ist wunderbar echt, authentisch, bewegend und auch spannend beschrieben. Aber die soziale Isolation, in der sie lebt, ist auch sehr bedrückend.

Das Buch ist für mich auch eine Liebeserklärung an die Natur. Selten war ich von Beschreibungen und Erklärungen der Tiere und auch der Pflanzen so fasziniert und gefesselt. Nicht ein einziges Mal hatte ich das Gefühl, es ist zu viel oder gar belehrend. Es fügt sich so wunderbar in die Geschichte ein, passt einfach für mich perfekt zusammen.

Kya spürt mit der Zeit die Einsamkeit immer mehr und sehnt sich nach anderen Menschen. Nach Kontakten, nach Berührungen, nach Halt und Sicherheit. Diese wachsende Sehnsucht konnte ich sehr gut nachvollziehen. Als sie eines Tages entdeckt, dass jemand vorsichtig versucht, mit ihr Kontakt aufzunehmen, wagt sie sich aus ihrer Deckung… Und glaubt schließlich am Ziel ihrer Wünsche zu sein…..

 

Dass das Buch mit dem Fund einer Leiche im Jahr 1969 beginnt, und immer wieder Kapitelweise über den Stand der Ermittlungen berichtet wird, macht es noch mal besonders spannend! Und auch, wenn ich schon gewisse Vorahnungen hatte, wollte ich unbedingt wissen, ob und wie sich das alles zusammenfügt….und war überrascht, dass sich die Geschichte noch in eine andere Richtung entwickelt. Das hat mir aber sehr gut gefallen und ich habe gebannt die Ereignisse verfolgt.

 

Ein großartiges Buch, flüssig und fesselnd geschrieben und dabei anrührend, aufrüttelnd und bildgewaltig!