Rezension

Berührend, brutal, bezaubernd- Über die haarfeinen Risse in der Wirklichkeit!

Niemand liebt November - Antonia Michaelis

Niemand liebt November
von Antonia Michaelis

Bewertet mit 5 Sternen

Seit die nun 17jährige November Lark sechs Jahre alt ist, vermisst sie ihre Eltern. Sie kann sich kaum noch an den Tag, ihren Geburtstag nämlich, erinnern, an dem sie verschwanden. Damals stellte sich das kleine Mädchen zwei entscheidende Fragen:
Erstens: Ist es sinnvoll, weiterzuleben?
Zweitens: Ist es sinnvoll, alleine Geburtstag zu feiern?
Daraufhin entschloss sie sich, ihre Eltern zu suchen- egal wie lange es dauern würde und egal wie weit sie dafür reisen müsste.
Das einzige, das sie aus dem Haus mitnahm, war die Katze, welche ihr ein treuer Begleiter werden sollte.
Doch wird November, die von allen einfach Amber genannt wird, schnell in ein Heim gesteckt und wandert dann von einer Pflegefamilie zur anderen, bis sie mit 17 Jahren aus einer betreuten WG abhauen kann.
Grund dafür: Seit langem scheint sie ihren Eltern das erste Mal auf der Spur zu sein. Denn sie gelangt in eine ihr fremde Großstadt, in der es eine Kneipe gibt, die mit dem Schicksal ihrer Eltern verstrickt zu sein scheint.
Die Kneipe gehört einem Mann, der laut seiner Tätowierung Katja heißt. Er ist bereit Amber zu helfen; gibt ihr einen Job, was dem nachts in Hausfluren schlafenden Mädchen, eine große Hilfe ist.
Doch plötzlich beginnt sie ihn zu sehen.. Den Jungen im rot-gelben Zelt.. Den Jungen, den sie vor vielen Jahren schon einmal gesehen hat... Den Jungen, der immer liest.. Den Jungen, der, soblad sie ihm näher kommt, verschwindet... Doch wovor hat er Angst?
Und wer schreibt Amber diese kranken Drohbriefe? Ist der jenige wirklich in ihrer Nähe? Und wird er seine brutalen Ankündigungen wahrmachen?
Und warum sind ihre Eltern auf so rätselhafte Weise verschwunden? ... Leben sie noch?
Und kann Amber all diese Fragen noch rechtzeitig beantworten, bevor ihr Schatten sie einholt..??
Außerdem sehnt sich Amber nach etwas Liebe und Wärme, sie möchte nicht mehr alleine sein, möchte anderen gefallen- und sich selber auch. Und so entwickelt sie eine Art Maske: Lucy. Lucy ist das absolute Gegenteil von November: Offen, freundlich, hübsch und mit einer Ausstrahlung und einem Lächeln, dem kaum ein Mann widerstehen kann.. Doch auch diese Fassade birgt ihre Gefahren..

Nachdem ich Antonia Michaelis' wunderbaren "Der Märchenerzähler" gelesen habe, waren meine Erwartungen an dieses Buch sehr hoch. Obwohl Antonia Michaelis behauptet hat, dieses Buch sei nicht annähernd so temporeich und spannend, sondern viel eher langweiliger als besagtes Buch, war ich fest vom Gegenteil überzeugt.
Der Schreibstil in "Niemand liebt November" ist genauso poetisch und packend wie schon in dem Märchenerzähler. Außerdem wird jedes Kapitel von einem Gedicht, welches die Protagonistin geschrieben haben soll, eingeleitet. Es fiel mir sehr schwer, das Buch aus der Hand zu legen, da ich immer erfahren wollte, wie es weiter geht. Denn nach einer Weile hat man genauso große Angst, den Eltern könnte etwas sehr Schlimmes zugestoßen sein, wie November.
Die Charaktere in dem Buch sind sehr lebendig und vielschichtig gezeichnet. So merkt man zum Beispiel an Ambers Verhalten und Gedanken, dass sie sehr darunter leidet, dass ihre Eltern auf so mysteriöse Weise verschwunden sind. Und auch Katja überrascht einen immer wieder aufs Neue und man schließt ihn schnell ins Herz.
Darüber hinaus ist die Geschichte sehr temporeich und spannend, auch wenn es manchmal nicht so läuft, wie man es sich für die Personen gerne gewünscht hätte- aber das ist ja nicht weiter schlimm.
Das Buch bietet dem Leser einen Blick über den eigenen Tellerrand und verwirrt ihn zu Beginn so, dass er selbst nicht weiß, was er glauben soll und mindestens so paranoid wird, wie Amber selbst.
Die Lösung des Buches hat mir auch sehr gut gefallen, da die Geschichte logisch und in sich schlüssig ist.
Wie auch schon im Märchenerzähler ist das Ende überwältigend und kaum zu fassen (aber trotzdem logisch und nachvollziehbar).
Allerdings ist das Buch vielleicht auch nicht für jeden etwas, da es schon ein paar brutale Szenen gibt, die aber für den Verlauf der Handlung und die Entwicklung der einzelnen Personen von großer Bedeutung sind.
Was ich auch noch sehr gerne erwähnen möchte ist die Gestaltung des Covers. Eigentlich finde ich immer, dass so etwas nicht wirklich in eine Rezension gehört, da es nicht wirklich von Belang ist, ob einen nun die Farbwahl angesprochen hat oder nicht, aber hier ist ein so geniales Detail versteckt, dass ich es trotzdem gerne nennen möchte:
Auf dem Cover sieht man nämlich ganz eindeutig das rot-gelbe Zelt. Nimmt man jedoch den Schutzumschlag ab, bemerkt man, dass das Zelt verschwunden ist. Genauso wie im Buch, wo es zu Beginn immer wieder von der Bildfläche verschwindet, nachdem man ihm zu nahe gekommen ist.

Ich bin begeistert von dem Buch und kann es wirklich weiter empfehlen: Es ist spannend, temporeich, rätselhaft, verwirrend, bezaubernd, poetisch geschrieben und regt zum Nachdenken an- top!