Rezension

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Berührend, gefühlvoll, von Beginn an fesselnd

Am Ende des Winters - Daniela Sacerdoti

Am Ende des Winters
von Daniela Sacerdoti

Bewertet mit 5 Sternen

Nach jedem Winter wird es irgendwann Frühling Eilidh Lawson steht an ihrem absoluten Tiefpunkt: Ihre jahrelangen Kinderwunschbehandlungen blieben erfolglos, und ihr Mann hat eine Geliebte. Traurig begibt sie sich in ihr kleines Heimatdorf, um die Wunden heilen zu lassen. Jamie versucht, das Beste aus seinem Leben zu machen, seit seine Traumfrau ihn und ihre gemeinsame Tochter verlassen hat, doch es fällt ihm manchmal schwer. Beide wissen noch nicht, dass Hilfe meist aus ungeahnten Richtungen kommt – und dass auf jeden Winter irgendwann auch wieder der Frühling folgt …

Der erste Satz:
Der seltsamste und erstaunlichste Tag meines Lebens - der Tag, der meine Vorstellung von Leben und Tod von Grund auf verändert hat - begann wie jeder andere.

Manchmal entscheidet man sich aus dem Bauch heraus für ein Buch, manchmal auch ganz bewusst. Das letztere war bei hier der Fall. Um es vorweg zu sagen, ich habe es keine Sekunde bereut.
"Am Ende des Winters"  zieht den Leser mit in die Geschichte hinein und läßt ihn bis zur letzten Seite nicht los.
Schon nach wenigen Seiten ist man mitten drin in der Geschichte, die von Eilidh Lawson, einer jungen Frau, und Jamie, dem alleinerziehenden Vater von Maisie, handelt. Halt, nicht zu vergessen ist Elizabeth, die verstorbene Mutter von Jamie.
Eilidhs größter Wunsch, endlich ein eigenes Kind in den Armen zu halten, geht trotz mehrfacher künstlicher Behandlungen nicht in Erfüllung. Sie leidet sehr darunter, und das hat auch Auswirkungen auf ihre Ehe mit Tom. Dieser hat sich weit von ihr entfernt, inzwischen lebt er bei seiner Geliebten. Nach der erneuten Fehlgeburt fährt Eilidh in das kleine schottische Dorf Glen Avich. Dort wohnt noch ihre Tante Peggy und empfängt sie mit offenen Armen. Glen Avich, mit diesem Ort verbindet Eilidh sehr viel. Hier fühlt sie sich wohl, denn die ersten Jahre ihrer Kindheit hat sie hier verbracht. Und das Haus der verstorbenen Großmutter Flora war ihr so vertraut.

"Eines Nachts saß ich auf dem Felsen und lauschte, wie das Wasser ans Ufer plätscherte, als mich etwas aufschreckte. Eine Woge der Trauer brach über mir zusammen wie ein Schauer, der sich von meiner Stirn bis zum Rücken zog. ... Als Geist fließen Tausende von Seelen durch mich hindurch, Tausende von Stimmen flüsterten mir ihre Gedanken und Erinnerungen zu. Diese eine Stimme, die kannte ich. Es war Eilidh, die Enkelin meiner Freundin aus Kindertagen, Flora McCrimmon, die sich im Schlaf ihre Trauer und ihr Leid aus dem Leib schrie. Aber sie rief nicht nach mir, sondern nach Flora."
Zitat S. 38

Jamie und Eilidh kennen sich aus ihrer Kindheit, haben viel Zeit miteinander verbracht. Aber auch Jamies Leben war in der Vergangenheit nicht einfach. Schon bald nach der Geburt seines Kindes hatte ihn seine Frau, eine Künstlerin, verlassen und war zurück nach London gegangen. Mit dem Kind konnte sie nicht viel anfangen und so wuchs Maisie unter der Obhut der Großmutter Elizabeth auf. Doch ganz plötzlich war diese vor drei Jahren gestorben.

Während Eilidh langsam wieder zu sich selbst kommt, wahrt Jamie Abstand zu Frauen. Nein, er war noch nicht bereit für eine neue Beziehung. Der Weg zu ihm führte so oder so nur über Maisie.
Und dann ist da noch Jamies Schwester Shona. Sie lebt zwar nicht in dem kleinen Ort mit ihrer Familie, ist aber stark präsent und der Halt für Eilidh und Jamie in den wichtigsten Momenten.

Und doch war da jemand, der spürte, Eilidh und Jamie waren füreinander bestimmt.

"Manchmal verlieren wir jemanden, dann denken wir, unser Leben sei vorbei, und erstarren in diesem Augenblick der Verzweiflung. Doch es kann sich auch herausstellen, dass trotz all des Kummers und Leids unser echter Seelenverwandter immer noch da draußen herumläuft. Das Leben kann uns durchaus eine zweite Chance bescheren - …
Zitat S. 327

Der Roman wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt. Und trotz dieses Umstands ergänzen sich diese nahtlos.
Auf wunderbare Art und Weise hat die Autorin hier eine Geschichte entstehen lassen, die in Worte zu verpacken nicht einfach ist. Es überzeugt mit seinen leisen Tönen, der bildhaften Sprache, hier ist alles stimmig - selbst die traurigen Passagen!

Fakt ist, dass Elizabeths Kapitel mich sehr berührt haben. Allein diese zu lesen, war etwas ganz besonderes.

"Am Ende des Winters" ist eine ruhige, gefühlvolle Geschichte, die für lange Zeit im Herzen bleibt. Das Cover ist mit viel Liebe zum Detail und farblich sehr harmonisch gestaltet. Die Autorin Daniela Sacerdoti schreibt nicht einfach nur so dahin. Sie hat ihre eigene Sprache, ihren eigenen Schreibstil. (P.S. Sie ist die Urenkelin des italienischen Schriftstellers Carlo Levi.) Ihr Schreibstil ist derart berührend und besitzt eine hohe Qualität, so dass man an dieser Stelle der Übersetzerin ein großes Lob geben muss! Nur wer sich derart in eine Geschichte fallen lassen kann, ist fähig, dieses so professionell wiederzugeben.

"Am Ende des Winters", die Geschichte erhält von mir absolute Leseempfehlung, denn ich habe nicht nur glückliche Lesemomente gehabt, auch nachdenkliche. Must-Read!!!