Rezension

Berührend, spannend, bezaubernd

Das Flüstern der Bienen -

Das Flüstern der Bienen
von Sofia Segovia

'Das Flüstern der Bienen' von Sofia Segovia stammt schon aus dem Jahr 2015, es wurde aber erst Anfang 2021 auf Deutsch herausgebracht. Vermutlich, weil der Verlag den Aufhänger Spanische Grippe in dieser Pandemie-Zeit nutzen wollte. Auch wenn ich der Meinung bin, dass die Spanischen Grippe als solche überhaupt nicht wichtig für das Buch ist, bin ich einfach nur froh, dass das Buch nun verlegt wurde - aus welchen Gründen auch immer - und ich die Chance hatte, es zu lesen. 

Es ist nämlich ein ganz wunderbares Buch. Es erzählt die faszinierende, spannende und bewegende Geschichte des Jungen Simonopio, der in einer rätselhaften Symbiose mit einem Bienenschwarm lebt. Als er 1910 als Waise in dem mexikanischen Ort Linares gefunden wird, ist er von einem Bienenschwarm umgeben, der ihn auch niemals verlassen wird. Die Familie Morales, Großgrundbesitzer, nehmen den Jungen, der aufgrund einer Missbildung im Gesicht niemals wird (für sie verständlich) sprechen können, bei sich auf und die alte Nana Reja wird seine Amme. Aufgrund der Sprachbarriere, seines Aussehens und seiner ständigen Begleiter wächst Simonopio als Einzelgänger auf, doch die Familie Morales, und vor allem der spätgeborene Sohn, werden von ihm tief geliebt. 

Simonopio hat eine besondere Begabung. Nicht nur, dass er die Bienen versteht und ihnen auf dem Weg zu einem wichtigen Schatz jahrelang folgt, Simonopio sieht und fühlt darüber hinaus die Verbundenheit aller Dinge und kann daher gewisse Ereignisse erahnen, bevor sie geschehen. So schafft er es, seine geliebte Familie vor der Spanischen Grippe zu retten und hilft mit dem Schatz der Bienen, die Zukunft der Familie zu sichern. Auch ahnt er eine dramatische Zusammenkunft mit einem der Pächter seines Ziehvaters voraus, der den Jungen von Anfang an aufgrund seiner Fremdartigkeit fürchtet und verachtet. 

Auf diese Konfrontation zielt die Geschichte ab, es ist von Anfang an klar, dass sie der spannende Höhepunkt des Buches wird, doch schafft die Autorin es trotzdem, den Leser hier noch zu überraschen. Das Tempo der Erzählung nimmt im entscheidenen Moment deutlich zu (dank kurzer Kapitel, springender Perspektiven und Kapitelüberschriften, die Bestandteil der Handlung sind), gleichsam erlebt der Leser den Höhepunkt wie in Zeitlupe. Zur Folge hatte das bei mir, dass ich emotional ergriffen war, wie schon lange nicht mehr bei einem Buch. Die Figuren der Familie Morales, und vor allem Simonopio, sind mir durchweg ans Herz gewachsen, sie werden alle ehrlich und ungeschminkt geschildert, jeder von ihnen hat seine Fehler und gibt diese auch unumwunden zu. 

Es gibt nur eines, das keine Fehler hat, wenn ich das so kitschig sagen darf, - das Buch an sich. Die Bienenthematik, die ich in den letzten Jahren immer wieder in tollen Büchern - allerdings nur wenigen - gefunden habe, präsentiert sich hier in einem ganz besonderen Exemplar, das mit einem Hauch Unerklärlichkeit und dennoch ganz viel Bodenständigkeit verzaubert.