Rezension

Berührend, warmherzig und einfach schön zu lesen!

Das rote Adressbuch - Sofia Lundberg

Das rote Adressbuch
von Sofia Lundberg

Bewertet mit 5 Sternen

Der Roman "Das rote Adressbuch" ist das Debüt der schwedischen Autorin Sofia Lundberg, die deutsche Ausgabe erscheint 2018 im Goldmann Verlag. Doris wuchs in Stockholm auf, mit 10 Jahren bekam sie von ihrem Vater ein besonderes Geschenk: ein rotes Adressbuch, in dem sie all die Menschen verewigen soll, die ihr etwas bedeuten. Mittlerweile ist Doris schon 96 Jahre alt und lebt allein in Stockholm, ihre einzige Verwandte ist ihre Nichte Jenny, die mit ihrer Familie in Amerika lebt und regelmäßig mit ihr per Skype Kontakt hält. Für Jenny beginnt Doris ihre bewegte Lebensgeschichte aufzuschreiben und lässt in Gedanken ihr Leben Revue passieren. Sie lebte in Paris, New York und England, um dann nach Schweden zurückzukehren und nach Allan, der großen Liebe ihres Lebens, zu suchen. Im zweiten Weltkrieg brach der Kontakt ab und aus einem gemeinsamen Leben wurde nichts.

"Manche Erinnerungen wird man nicht los. Sie sitzen da wie ein eitriges Geschwür, manchmal platzen sie auf und tun weh, so unglaublich weh." Zitat Seite 186

 

Dieses Buch erzählt die Lebensgeschichte von Doris, die im Krankenhaus liegt und mit dem Tod ringt. Wir erfahren von vielen persönlichen Lebensumständen, von Entbehrungen, alten Bekannten, Verwandten und Freunden und der Einsamkeit im Alter, wenn alle alten Freunde nicht mehr sind. Ihre Nichte Jenny kommt sie besuchen und ist wie ein rettender Engel, auch wenn der Tod nicht aufzuhalten ist.

 

Es macht betroffen, wenn man sich Doris Situation vor Augen hält. Sie ist alt, krank, hilfsbedürftig und ohne nähere Angehörige. Die alten Freunde sind inzwischen alle von ihr gegangen und sie steht völlig allein da. Den einzigen Lichtblick in ihrem Leben sind die Momente, in denen sie mit ihrer Nichte Jenny per Skype verbunden ist. Ansonsten erträgt sie ihr Leben in Geduld und Bescheidenheit.

Jenny hängt sehr an ihrer Tante, denn diese war für sie wie eine Mutter. Als Jenny von Doris gesundheitlichem Zustand erfährt, versucht sie, Doris am Ende ihrer Tage beizustehen. 

Sie erfährt vom bewegten Leben von Doris, ein Leben mit Armut, Krieg, Entbehrungen und Misshandlungen. Und doch war ihre Tante immer für sie da.

 

Die Autorin beschreibt eine Reihe ergreifender Themen in ihrem Buch. Sie reichen von Armut und Hunger, dem Leben als kindliche Waise, von der Notwendigkeit als Kind zu arbeiten, von Vergewaltigung und der Verantwortung für die kleine Schwester bis hin zu dem zweiten Weltkrieg und dem Verlust der großen Liebe. Trotz dieser Themenvielfalt wirkt der Roman damit nicht überladen. Denn man erlebt dieses Leben mit allen Emotionen mit und kann sich der Gefühle nicht entziehen. Liebe, Trauer und die ständige Hoffnung begleiten Doris und den Leser bis zum Ende der Geschichte. Ein emotionales Feuerwerk, sehr berührend und absolut warmherzig geschrieben und mit einer dramatischen Wirkung auf den Leser. 

 

Man ist von der Protagonistin Doris schnell beeindruckt, sie hat in ihrem Leben Tapferkeit und persönliche Stärke entwickelt, ihr eigenes Überleben gesichert und dabei auch andere Menschen unterstützt. Leider ist sie nie in den Genuss einer eigenen Familie gekommen, ihre Liebe brach durch die Kriegswirren auseinander und sie konnte ihren geliebten Alan nie wiedersehen.   

Die Autorin lässt uns tief in die Seele von Doris blicken und auch die anderen Figuren des Romans bekommen nach und nach ein deutliches Gesicht. Immer mehr Personen aus Doris Adressbuch werden als tot einfach gestrichen. Die Geschichte geht mir sehr nah.

Sofia Lundberg gelingt mit ihrem Debüt ein berührender und zu Herzen gehender Roman, ein emotionales Feuerwerk, das nachdenklich werden lässt über das Alter und ein menschliches Ende. Von mir eine volle Leseempfehlung!