Rezension

Berührende Geschichte, macht nachdenklich

Ein ganzes halbes Jahr - Jojo Moyes

Ein ganzes halbes Jahr
von Jojo Moyes

Es ist ein wirklich wundervolles Buch, berührend, bringt aber auch zwischendurch zum Lachen, man braucht auf alle Fälle Taschentücher, denn zumindest bei mir blieben die Augen nicht trocken. Es erzählt eine eher unkonventionelle Liebesgeschichte, die zwischen verschiedenen Welten spielt. Es ist nicht nur der "Klassen"-Unterschied zwischen Lou und Will, auch ihre Charaktere und letztendlich seine Tetraplegie schaffen diese großen Unterschiede. 

Es sind sehr sensible Themen, die das Buch behandelt, auf eine erfrischend natürlich und unvoreingenommene Art und Weise: Die Autorin beschreibt nicht nur Wills Alltagsprobleme - vor allen Dingen auch die außerhalb des Hauses -, sondern auch seinen sicher nicht für jeden verständlichen Entschluss sehr feinfühlig. Man erfährt so viele über sein Leiden, sein Leben und die vielen Schwierigkeiten, die sich ergeben.
Und doch schafft die Autorin auch genau mit diesen Situationen humorvolle, amüsante Szenen. Es ist kein Buch, das den Nicht-Behinderten ständig anprangert oder zum Schämen bringen soll, stattdessen wird hier ein offener Einblick in Wills Leben gewährt. Und das hat nun mal auch Szenen, die einen zum Lachen bringen können.
In der Beschreibung wird eine Liebesgeschichte angegeben, doch die typische Romanze gibt es hier nicht, es ist außergewöhnlich, es ist besonders, genauso wie es oben steht. Und genauso, wie es war, fand ich es einfach perfekt. Eine andere Art der Liebe hätte nicht in das Buch und vor allen Dingen nicht zu den Charakteren gepasst.

Man liest das Buch zwar hauptsächlich aus Lous Sicht, aber es gibt immer wieder einzelne Kapitel aus der Sicht der anderen, was nicht nur ein besseres Verständnis der Situation eben dieser erzählenden Personen gibt, sondern auch die Struktur im positiven Sinn auflockert. So lernt man auch Lou mal aus einer anderen Perspektive als der eigenen kennen, denn sie ist nicht der Typ Mensch, der sich in den Himmel lobt oder stolz auf sich selbst ist. Diese Einschübe fand ich sehr gelungen.

Lou ist eine unglaubliche sympathische Protagonistin, die ich gleich ins Herz geschlossen hatte, die ich manchmal aber auch angesichts ihrer "Dummheit" einfach nur schütteln wollte. Ich denke, sie ist kein großer Fan von Veränderungen in ihrem Umfeld, und das obwohl sie in ihrer kleinen Stadt wohl angesichts ihres Kleidungsstils (ich sage nur: Bienen-Ringel-Strumpfhose) eine sehr auffällige Person ist. Sie spielt sich selbst runter, erkennt ihre Fähigkeiten nicht und trotzdem ist ein optimischer, offener Mensch.
Will hingegen weiß sehr wohl, was er kann und nicht. Er hat eine sehr klare Sicht auf die Dinge, auf sich selbst, seine Zukunft und auch Lou. Trotzdem ist er streckenweise ein griesgrämiger, mürrischer Mann, der sich selbst aufgegeben hat und nicht einmal mehr versucht, Positives zu entdecken.
Eine heiße Mischung, nicht wahr? Aber auch eine wirklich schöne. Durch diese wirklich tiefgründigen Charaktere, die so durchdacht, so menschlich, so... ich kann mich nur wiederholen, so sympathisch sind.
Doch auch die zur Seite gestellten Nebencharaktere sind sehr detailliert ausgearbeitet. Sie avancieren nicht zu Nebenerscheinungen, sondern spielen auch wichtige Rollen und treffen tragende Entscheidungen, immerhin gibt es auch immer wieder Erzählungen aus ihrer Sicht.

Ich sags mal, wie es ist: Stilistisch ist das Buch nichts Besonderes, doch das braucht es auch nicht. Es ist gut geschrieben, wenn auch nicht herrausragend, doch getragen wird es von der Geschichte, von den Protagonisten und dem "Damokles-Schwert", das über ihnen schwebt.

Titel und Cover erschienen mir anfangs, grad in Hinsicht auf den Klappentext etwas seltsam, doch nachdem ich das Buch gelesen habe, finde ich beides einfach perfekt. Es hätte nicht besser gewählt werden können.

Eine Besonderheit sind noch die Diskussionsfragen, die am Ende des Buches zu finden sind. Fand ich persönlich sehr interessant und ist sicherlich auch ein Buch, das in bestimmten Schulbereichen Anklang finden könnte. 

Fazit

Jojo Moyes ist ein unglaublich berührendes Buch gelungen, welches feinfühlig auf die Probleme eines Tetraplegiker eingeht und dem Leser eine andere Welt aufzeigt. Außerdem gibt es mit Wills Entscheidung noch ein anderes Thema, das sicherlich für manche unverständlich bleibt, und so vielleicht doch etwas klarer und verständlicher wird.