Rezension

Berührende Geschichte, sprachlich ein Genuss!

H wie Habicht
von Helen Macdonald

Schon als Kind faszinieren Helen McDonald Greifvögel. Mit 6 Jahren versucht sie mit hinter dem Rücken verschränkten Armen zu schlafen, beim Vaterunser betet sie „Lieber Horus“. Später trifft sie auf Falkner: „Männern wie ihnen war ich noch nie zuvor begegnet. Sie trugen Tweed und boten mir Schnupftabak an.“  Als Helen erwachsen ist, stirbt ihr Vater. Einziger Trost ist ein Habicht, den sie zu zähmen beginnt mit Ausdauer, Ruhe und Geduld. Der Habicht bietet Trost und ein Ziel.

„H wie Habicht“ ist eine eigenwillige Geschichte über Trauer und den Weg eines Menschen mit dieser Trauer fertig zu werden. Ein berührendes Buch, sprachlich ein Genuss.   

Kommentare

Emswashed kommentierte am 30. April 2017 um 09:50

Geschreckt hat mich vor allem das Augenmerk auf die Trauerbewältigung um den Tod des Vaters, die mit diesem Buch hauptsächlich geleistet werden sollte. Für ein gefeiertes Sachbuch keine akzeptable Sache für mich: entweder Psychoanalyse, oder Falknerei, aber bitte nicht beides gefühlsschwanger vermengen!
Dann war da noch die Kritik auf die Rückblicke auf den Schriftsteller T.H.White, der seine Falknereiversuche in dem Buch "The Goshawk" verarbeitet hat. Ein Buch, auf welches sich die Autorin immer wieder zurückbesinnt und damit eine Parallelgeschichte erzählt.
Auch die begeisterten Besprechungen schienen mir zu undurchsichtig und nicht konkret genug, mich zu überzeugen. Aber hey, habs für 2 Euro auf dem Flohmarkt ergattert, kurz mal reinschauen und dann ganz schnell vertauschen, weil ich mal wieder eine Bewertung brauchte...

... ganz so einfach gings dann doch nicht. Zur "Geduld" forderte mich gleich das erste Kapitel zur selbigen auf und leimte mich regelrecht mit seinen Landschaftsbeschreibungen. Fast konnte ich alles hören, schmecken, fühlen, mit Worten die so treffend waren, dass ich bei keinem Satz Schwierigkeiten hatte, die Bedeutung zu erfassen.
Und so konnte ich auch den Habicht vor mir sehen, den Helen erwirbt, um ihn abzurichten. Seine Gefiederzeichnung, seine Haltung, sein Blick und ganz nebenbei die Fachwörter der Falknerei, mit einer Leichtigkeit in den Text gewoben, die an Zauberei grenzt. Ich habe mich mit Helen zusammen zurückgezogen, den Habicht auf der Faust gehabt und "abgetragen". Mein Herz hat mit ihrem wild geklopft, als ich den Vogel dann losgelassen habe. Empört war ich über die Berichte von White, der mit seinem Habicht nicht so verständnisvoll umgegangen ist.
Mit Erstaunen habe ich festgestellt, dass mich die Falknerei zum Außenseiter gemacht hat und wie verschroben ich den Leuten von der Universität vorkommen musste. Mit Schuldgefühlen habe ich auf fremden Land gewildert, obwohl ich mir im eigenen Leben nicht mal ein Knöllchen gönne und lieber entnervt bei der Parkplatzsuche aufgebe.
Trauerbewältigung hin oder her, Helen Macdonald hat mich in eine Welt der Greifvögel entführt, die ich so nicht erwartet habe, mich aber glücklich zurücklässt. Natürlich gehören diese und auch alle anderen Vögel in die Freiheit, aber ein, zwei Leuten sollte es gestattet bleiben, sich mit ihnen zu beschäftigen und so tolle Bücher darüber zu schreiben. Mein Blick wird jetzt definitiv öfters gen Himmel gerichtet sein, wenn mal wieder ein Bussard, Habicht, oder was auch immer über den Feldern seine Kreise zieht.
Mea culpa, dass ich mich diesem Buch verweigern wollte, weil ich glaubte, auf so einen Schmuh nicht reinfallen und dickköpfig gegen den Strom schwimmen zu müssen. Manchmal sollte ich mich treiben lassen und es einfach genießen!

Sonja Fleischer kommentierte am 30. April 2017 um 21:39

Schöner Kommentar.

Das ist das Tolle an guten Büchern: Selbst wenn man mit dem Thema an sich wenig anfangen kann, liest man sie trotzdem gern. Und gerade dann erfährt man etwas Neues über die Welt.

Ich lese gerade "Falke".