Rezension

Berührende südtiroler Lebensgeschichte in Zeiten des Faschismus

Ich bleibe hier
von Marco Balzano

Bewertet mit 5 Sternen

Im Roman „Ich bleibe hier“ wird die Lebensgeschichte der Protagonistin Trina aus ihrer Perspektive geschildert. Diese Erzählung richtet sich an ihre Tochter, die immer wieder direkt angesprochen wird. Trina ist in einem Dorf in Südtirol aufgewachsen und Lehrerin geworden. Sie darf aber nicht praktizieren, da die Faschisten die deutsche Sprache ablehnen und auf italienische Arbeiter und auch LehrerInnen setzen. Trina unterrichtet heimlich deutsch in einer sogenannten Katakombenschule und heiratet schließlich Erich, einen Bauern aus dem Dorf. Sie bekommen zwei Kinder, einen Sohn und etwas später eine Tochter. Es wird das beschwerliche Leben in Südtirol während des italienischen Faschismus und auch des zweiten Weltkriegs erzählt. Zusätzlich schwebt über all dem die Bedrohung des Dorfes durch einen Staudamm, den die italienische Regierung und ein Unternehmen bauen wollen. Dieses Projekt taucht fortwährend auf und damit verbunden der Kampf von Erich und auch Trina gegen den Damm und eine mögliche Vertreibung durch eine Überflutung des Dorfes.

Der Roman erzählt fast die ganze Lebensgeschichte von Trina; also von der Zeit als junge Frau bis sie eine ältere Frau ist. Es wird ihre Trauer und Sehnsucht nach ihrer Tochter, dem Wunsch unterrichten zu dürfen und der schwierigen und unübersichtlichen politischen und geopolitischen Situation geschildert. Viele Facetten werden abgebildet, aber nicht so, dass ich als Leserin nicht mehr folgen konnte. Im Gegenteil, ich habe sehr viel gelernt. Mir war vieles nicht so bewusst, unter anderem in welchem Spannungsverhältnis sich Südtirol zwischen den italienischen Faschisten und Nazi-Deutschland befand. Sehr ruhig wurde der Kampf von Erich und Trina gegen den Staudamm beschrieben und die Schwierigkeiten, die sie bei der Suche nach Unterstützung hatten. Wie bestimmte Informationsschreiben in ausschließlich italienischer Sprache ausgehängt wurden, sodass die große Mehrheit der Bevölkerung diese nicht verstehen konnte. Und welche Möglichkeiten aber auch Barrieren sich durch Sprache ergeben können.

Marco Balzano hat einen wirklich schönen Schreibstil, der detailliert und meinem Empfinden nach sehr realistisch und eindringlich beschreibt. Von den ersten Seiten hat mich Trinas Geschichte gefesselt, sowohl inhaltlich als auch sprachlich. Es gibt keinerlei Passagen, die ich als langatmig empfunden habe und das ist für mich ein echtes Qualitätsmerkmal bei einem Roman, der die Geschichte einer Person über einen Zeitraum von vielen Jahren erzählt. Es war mir möglich, mich in Trina und ihr Leben hineinzuversetzen und zu denken, da Marco Balzano gekonnt Personen, Umstände und Gedankenwelten beschreibt.

„Ich bleibe hier“ ist ein zum Nachdenken anregender, toll geschriebener Roman. Auch das Cover ist wunderschön und sehr passend. Für mich war das Lesen von „Ich bleibe hier“ eine Bereicherung!