Rezension

Berührender Roman über bemerkenswerte Frauen

Das Haus der Frauen - Laetitia Colombani

Das Haus der Frauen
von Laetitia Colombani

Bewertet mit 4 Sternen

Die Geschichte eines magischen Ortes in Paris - ein Haus für alle Frauen dieser Welt

INHALT

In Paris steht ein Haus, das allen Frauen dieser Welt Zuflucht bietet. Auch der erfolgreichen Anwältin Solène, die nach einem Zusammenbruch ihr Leben in Frage stellt. Im »Haus der Frauen« schreibt sie nun im Auftrag der Bewohnerinnen Briefe - an die Ausländerbehörde, den zurückgelassenen Sohn in Guinea, den Geliebten - und erfährt das Glück des Zusammenhalts und die Magie dieses Hauses. Weil Solène anderen hilft, hat ihr Leben wieder einen Sinn. Doch wer war die Frau, die vor hundert Jahren allen Widerständen zum Trotz diesen Schutzort schuf? Solène beschließt, die Geschichte der Begründerin Blanche Peyron aufzuschreiben.

(Quelle: S. Fischer Verlag)

MEINE MEINUNG
Nach ihrem weltweit gefeierten Debüt „Der Zopf” hat die französische Autorin Laetitia Colombani erneut einen berührenden Roman über bewegende Frauenschicksale und bemerkenswerte Frauen geschrieben.
 Ein Roman, der auf die weibliche Leserschaft ausgerichtet ist und sicherlich bald ebenfalls zu einem Bestseller anvancieren wird.

Ihre Geschichte kreist um den „Palais de la femme“ – das titelgebende „Haus der Frauen“, ein 1926 von der Heilsarmee gegründetes Frauenhaus im 11. Arrondissement von Paris, das in Not geratenen Frauen jeglicher Nation und Herkunft Zuflucht und geschützte Unterkunft bietet, und erzählt sehr eindrücklich von den verschiedenen Frauenschicksalen, die auf unterschiedlichste Weise mit diesem Haus verknüpft sind.
 Im Mittelpunkt dieses Romans stehen aber auch zwei Frauen, die zu verschiedenen Zeiten in Paris gelebt haben - fast ein Jahrhundert liegt zwischen ihnen, und doch verbindet sie ihr Engagement für all die Frauen in Notlagen, die ihre Hilfe, Stärke und Zuversicht brauchen.

Sehr kunstvoll hat die Autorin die beiden zwischen Gegenwart und Vergangenheit abwechselnden Handlungsstränge miteinander verwoben. Die Protagonistinnen erzählen ihre Geschichte jeweils aus ihrer Perspektive in der 3. Person. 

So lernen wir nach und nach die Hauptfigur Solène kennen und erfahren einige Details zu ihrer Lebenssituation. Sie ist eine junge, äußerst erfolgreiche Anwältin aus Paris, deren Leben durch einen Burn-Out völlig aus der Bahn geraten ist und von tiefen Depressionen beherrscht wird. Als therapeutische Maßnahme soll sie ihre Komfortzone verlassen und sich ehrenamtlich im Frauenhaus als eine Art Schreiberin engagieren. Schön ist es mitzuerleben, wie es Solène allmählich gelingt sich immer mehr zu öffnen, Kontakte zu knüpfen und wieder neuen Lebensmut zu schöpfen. In verschiedenen Episoden erfahren wir mehr über die Bewohnerinnen und Angestellten des Frauenhauses und nehmen gebannt Anteil an ihren aufwühlenden Schicksalen. Ob nun Flüchtlinge, obdachlose oder misshandelte Frauen, Opfer von häuslicher Gewalt – sie alle sind von den Widrigkeiten des Lebens und Gewalt gezeichnet und haben hier unabhängig von Kultur, Religion oder Herkunft Zuflucht gefunden, können zur Ruhe kommen, erhalten Beratung und Hilfe für einen Neuanfang in ein selbstbestimmtes Leben. Sehr glaubwürdig hat die Autorin aber auch die Dynamik und die ganz besondere Atmosphäre dieses Ortes, an dem so viele unterschiedliche Charaktere leben, eingefangen. Neben lautstark ausgetragenen Konflikten, chaotischen Zuständen gibt es auch die berührenden Momente der Solidarität und des Zusammenhalts untereinander. 

Im zweiten, Mitte des 19. Jahrhunderts angesiedelten Handlungsstrang widmet sich die Autorin einer faszinierenden historischen Persönlichkeit, die in der Geschichtsschreibung leider völlig in Vergessenheit geraten ist – Blanche Peyron. In kurzen, aber sehr anschaulich erzählten Episoden zeichnet sie das bewegte, entbehrungsreiche Leben dieser mutigen und willensstarken Frau nach, die ihr Leben ganz der Heilsarmee und dem sozialen Engagement für die bedürftigen und benachteiligten Menschen verschrieben hatte. Dank ihres heldenhaften Einsatzes und ihrer Hartnäckigkeit ist es ihr allen Widerständen zum Trotz gelungen, den „Palais de la femme“ in Paris zu kaufen und zu einem Frauenhaus umzubauen. 

So ist Laetitia Colombani ein stimmiges Portrait dieser äußerst beeindruckenden Frau und eine wundervolle Hommage gelungen! 

Der für die Autorin typische recht einfache, pointierte Schreibstil verbreitet eine angenehme Leichtigkeit beim Lesen. Ihr gelingt es, oft auch ohne ausführliche Beschreibungen eine eindringliche Atmosphäre aufkommen zu lassen und berührende Momente einzufangen.

Obwohl die Autorin ihre Hauptfiguren und deren charakterliche Entwicklung sehr einfühlsam und behutsam ausgearbeitet hat, hätte ich mir bei ihnen doch deutlich mehr Nuancen und Tiefgang gewünscht, um mich besser in sie hineinzuversetzen, sie weniger aus der Distanz zu erleben und mich mehr berühren zu können. Auch die vielen tragischen Schicksale der Frauen aus dem Frauenhaus waren insgesamt zu kurz angerissen und wirkten zu schablonenhaft, um wirklich unter die Haut zu gehen.

Dennoch ist der Autorin mit ihrer ergreifenden Geschichte über ein Haus für alle Frauen dieser Welt erneut ein bemerkenswerter, warmherziger und nachdenklich stimmender Roman gelungen, der zugleich als Plädoyer für mehr Solidarität zu verstehen ist.

FAZIT 

Ein berührender Roman über bewegende Frauenschicksale und bemerkenswerte Frauen, dem etwas mehr Tiefgang und einige zusätzliche Seiten nicht geschadet hätten! Dennoch lesenswert!