Rezension

Berührendes Schicksal eines Mädchens in Spanien 1944

Das Labyrinth des Fauns
von Cornelia Funke Guillermo Del Toro

Bewertet mit 4 Sternen

Die junge Ofelia findet in einer Fantasiewelt Zuflucht vor der grausamen Realität ihres Lebens im Spanien der 1940er

Die 13-jährige Ofelia zieht mit ihrer schwangeren Mutter Carmen zu ihrem Stiefvater Capitán Vidal, den sie in Gedanken „den Wolf“ nennt. Der Verlust ihres leiblichen Vaters und die Realität des Krieges in Spanien 1944 brechen über ihre heile Kinderwelt herein, wobei Ofelia in ihren Märchenbüchern Trost findet. So flüchtet sie in eine Fantasiewelt, in der ein geheimnisvoller Faun sie vor drei Aufgaben stellt. Wenn sie sie lösen kann, bedeutet das, dass Ofelia in Wirklichkeit die verlorene Prinzessin Moanna ist, die dann in ihr unterirdisches Reich zu ihren liebenden Eltern zurückkehren kann.

In „Das Labyrinth des Fauns“ tritt Ofelia eine klassische Heldenreise an. Sie entscheidet sich dafür, sich drei schwierigen Aufgaben zu stellen, wobei ihr Widersacher im Weg stehen und sie auf Verbündete hoffen kann. All das passiert vor der erschreckenden und grausamen Realität des Krieges, in der Ofelias Stiefvater Capitán Vidal die Rebellen in den umlegenden Wäldern jagt. Wer sich auf das Buch einlässt, muss mit Folter und Tod umgehen können. Selbst Erwachsenen können manche Szenen – auch jene, die in Ofelias Fantasiewelt spielen – durchaus zusetzen, da Cornelia Funke es schafft, jedes Ereignis eindrucksvoll zu schildern.

„Das Labyrinth des Fauns“ beruht auf dem Film „Pans Labyrinth“ von Guillermo del Toro. Interessanterweise funktioniert das wunderbar -- Cornelia Funke versteht es meisterhaft, die mystische und poetische Komponente des Films einzufangen und gleichzeitig die traurige Kriegsrealität eindringlich zu schildern. Sie verbindet alles mit Märchenelementen, die in die Geschichte eingewoben sind und damit Zusammenhänge schaffen.

Selten hat mir ein Buchcover so gut gefallen – optisch und haptisch. Hier lohnt es sich zum tatsächlichen Buch zu greifen. Die Illustration auf der Vorderseite des Buches strahlt etwas Besonderes aus – ebenso wie die weiteren schwarzweißen Illustrationen von Allen Williams im Buch. Zudem habe ich mir beim Lesen einige Zitate notiert. Cornelia Funke schafft es, grundlegende Lebensweisheiten in wenigen Worten niederzuschreiben. Schon allein deswegen hat sich für mich die Lektüre gelohnt. Berührt hat mich besonders folgendes Zitat: "Es gab immer etwas, das noch nicht beendet war, noch nicht erledigt, noch nicht erlebt. Die Sterblichen verstehen nicht, dass das Leben kein Buch ist, das man erst zuklappt, wenn man die letzte Seite gelesen hat. Im Buch des Lebens gibt es keine letzte Seite, denn die letzte ist immer die erste Seite einer neuen Geschichte." (S. 270)

Fazit: Absolute Leseempfehlung für jeden, der sowohl mit einer Kriegsrealität als auch mit durchaus verstörenden Märchenelementen jenseits von jeglichem Kitsch umgehen kann. Was bleibt sind für mich nicht die Grausamkeiten, sondern die Hoffnung und Zuversicht, die trotz allem Leid überdauern. „Das Labyrinth des Fauns“ ist keine leichte Lektüre, aber eine, die sich lohnt.