Rezension

berührt auch ohne große Emotionen

Die Unwahrscheinlichkeit von Liebe - A. J. Betts

Die Unwahrscheinlichkeit von Liebe
von A. J. Betts

Zitat:
„Ich fühlte mich, als wäre ich von einem LKW überrollt worden. Der dann beim Rückwärtsfahren auf die Seite und auf mich draufgekippt ist. Ich konnte nichts tun, als darunter liegen zu bleiben.“
(S.26)

„Krebs ist ein Magnet für Facebook-Freunde. Demzufolge bin ich beliebter als je zuvor. Früher haben die Leute füreinander gebetet.“
(S.33)

Inhalt:
Seit Wochen muss Zac ohne Kontakt, außer zu seiner Mutter, in diesem Krankenhauszimmer auf der Krebsstation verweilen. Auch wenn die Rückenmarkstransplantation gelungen ist, darf er keinen Keimen ausgesetzt werden. Die Zeit verrinnt kaum. Er ist praktisch eingesperrt. Zac zählt die Tage bis zu seiner Entlassung.

Doch dann kommt diese neue Patientin, ungefähr gleichaltrig wie Zac, genau in das Nebenzimmer. Nur getrennt durch eine dünne Wand. Und gleich am ersten Tag macht sich Mia bei Zac unbeliebt. In Endlosschleife hört sie ein und denselben Song in einer unzumutbaren Lautstärke. Zac ist genervt. Doch auf sein Klopfen an der Wand erhält er plötzlich eine zögerliche Antwort. Das Mädchen pocht zurück. Und dies ist erst der Anfang. Denn niemand kann Mia besser verstehen als Zac. Aber ihre Meinungen dazu gehen weit auseinander.

Meinung:
„Die Unwahrscheinlichkeit von Liebe“ zählt nicht unbedingt zu den Titeln, die ich direkt auf meine Wunschliste packen würde. Dennoch, als das Buch überraschend zu mir gefunden hatte, zog es mich irgendwie an. Ich weiß nicht, was diese Faszination ausgemacht hat. Auf jeden Fall wusste ich: Ich muss es lesen.

Gleich auf den ersten Seiten lernte ich Zac kennen. Zac, der immer an die Hoffnung glaubt, sich von seinem Ziel nicht abbringen lässt. Er glaubt an das Gute und an seine Chance. Seine Krankheit hat ihn förmlich in ein anderes Leben befördert. Plötzlich sind ihm andere Dinge wichtig. Er weiß, worauf es ankommt und stemmt sich mit aller Kraft gegen sein vermeintliches Schicksal. Zac ist stark, er muss stark sein, um als Sieger hervorzugehen. Und die Umstände sprechen für ihn. Trotz der übersichtlichen Überlebenschancen. Er weiß, was er an seinem Leben hat. Und dies teilt er auch gern mit anderen Betroffenen. Nur wie steht es wirklich um ihn? Überspielt er seine Ängste? Was passiert, wenn ihn trotz aller guten Aussichten ein Rückschlag ereilt?

Mia erlebte ich von Beginn an als Kratzbürste. Man konnte deutlich spüren, dass sie die Realität nicht akzeptieren konnte, nicht akzeptieren wollte. Ich konnte Mia, trotz aller persönlichen Vorurteile, doch von Beginn an verstehen. Immer dachte ich, was wäre, wenn mich eine derartige Diagnose treffen würde. Dabei sind die Überlebenschancen von ihr um ein Vielfaches höher als bei Zac. In ihm findet Mia eine Art Zuflucht, auch wenn sich beide lange Zeit nicht einmal persönlich kennen. Aber die multimediale Vernetzung macht es möglich, trotzdem Kontakt zueinander aufzunehmen. Und diese ist Fluch und Segen zugleich. Und Mia überraschte mich im weiteren Geschehen. Sie konnte beim weiteren Lesen einen festen Platz in meinem Herzen gewinnen.

A. J. Betts erzählt die Geschichte von Zac und Mia im Präsens, vermeidet hierbei ausufernde Beschreibungen und beschränkt sich wirklich auf das Wesentliche. Ohne große Emotionalität konnte sie mir das Gefühlsleben der Charaktere dennoch glaubhaft nahebringen. Die eingebauten Dialoge steigerten mein Lesevergnügen und ich konnte so manchen tiefen Seelenblick erhaschen. 

Ich hätte nie gedacht, dass ich in einer Geschichte mit diesem wirklich ernsten Thema diesen Humor, ein Esprit an Lebensmut finden würde, der mir das Lesen derart angenehm gestalten würde. Und trotzdem, bitte verratet es niemandem, hatte ich in so mancher Szene schon eine Träne im Auge, die sich ihren Weg bahnen wollte. Ich hatte Mühe, diese zu unterdrücken, zu tief war ich in der Geschichte.

Ich konnte verzeihen, dass sich die Geschichte anfangs doch ein wenig zog. Dies war aus meiner Sicht der Situation, in der sich die Charaktere befinden, selbst geschuldet. Auch Mias Reaktionen konnte ich im weiteren Verlauf verstehen lernen, sie begreifen. 

Zum Ende der Geschichte hin hat die Autorin nochmals alles von mir abverlangt. Ich dachte nur immer, dass es das dann doch jetzt nicht sein könnte, ich spürte Hoffnung, wollte es einfach. Im Endeffekt konnte mich A. J. Betts jedoch wirklich zufrieden stellen. Ein großes Kompliment von jemandem, der normalerweise nicht in diesem Genre liest!

Urteil:
„Die Unwahrscheinlichkeit von Liebe“ punktet durch die gradlinige Darstellung extremer Situationen. Hier findet man keine Gefühlsduselei, die Emotionen wirken real und die Charaktere authentisch. Ich habe es genossen, Mia und Zac zu begleiten. Für diese wirklich gelungene Darstellung realer Gedankengänge und Handlungen vergebe ich an dieser Stelle deshalb sehr gute 4 Bücher.

Für alle, die mit Charakteren hoffen und leiden können, sich von Abweisungen nicht abschrecken lassen und die sich für so manche Träne nicht zu schade sind.

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