Rezension

Besticht durch Schlichtheit

Der Große Garten - Lola Randl

Der Große Garten
von Lola Randl

Bewertet mit 5 Sternen

Natur und Lebensweisheit: Dieses Buch ist schlicht, ja, aber in seiner Schlichtheit genial und amüsant. Wer die Natur liebt, muss es lesen!

„Der große Garten“ ist mein zweites Buch, das ich von der Longlist des diesjährigen Deutschen Buchpreises (2019) lese. Diese Roman-Debütantin, noch dazu auf der Longlist, hat mich angenehm überrascht. Lola Randl präsentiert uns ein Gartenjahr, garniert mit ganz viel Lebensweisheit.

Eine junge Frau, 37 Jahre alt zu Beginn der Erzählung, zieht mit ihrem Lebenspartner auf das platte Land, in ein Dorf im Brandenburgischen. Wir wissen nicht, wie sie heißt. Was wir, die Leser, von ihr wissen, ist, dass sie Probleme hat. Deshalb geht sie regelmässig in die Stadt zur Therapie. Man darf annehmen, dass „die Stadt“ unsere Hauptstadt ist. Dennoch wissen wir nicht genau, wo im Speckgürtel sich die Protagonistin aufhält. Es tut auch nichts zur Sache.

Auf dem Land lebt die Protagonistin und gleichzeitige Icherzählerin mit ihrem Lebenspartner ganzwöchig in einem Dorf. Außer donnerstags. Der Donnerstag gehört dem Liebhaber und dem Liebhaberhaus. Das allerdings auch im Dorf ansässig ist. Das ist prekär!

Wir wissen nicht wirklich viel über die Protagonistin. Sie lebt in einer, wie auch immer gearteten, Wohneinheit mit ihrer Mutter und dem Lebenspartner. Der Garten ihrer Mutter erdet sie. Und an ihm studiert sie das Leben. Und an dem Zyklus eines Gartenjahres erleben sowohl der Leser wie auch die Protagonistin alles über das Leben, insbesondere über das Gartenleben, was es darüber zu wissen gibt. Manches wusste ich selber nicht. Zum Beispiel, dass ich gegen die Quecke kämpfe, ich habs halt für Gras gehalten und hatte insofern keine besonders gute Meinung "über Gras".

KRITIK:
„Der große Garten“ besticht durch seine Schlichheit. Sowohl in der Sprache wie auch in der Erzählung. Sicher, die Sprache ist gewollt schlicht. Natürlich ist die Naivität der Protagonistin „gemacht“, aber dennoch durchaus glaubhaft.

Neben allen möglichen, sehr interessanten, Fakten darüber, mit welchen Widrigkeiten ein ernsthafter Gärtner zu ringen hat, bringt Lola Randl mit neckischem Augenzwinkern auch die ernsten Themen, mit denen eine Dorfgemeinschaft umzugehen hat, aufs Tapez: Tratsch und Klatsch, ungeschriebene Gesetze der Gemeinschaft, das Eindringen und Besetzwerden durch Fremde sowie die manchmal fragwürdige Geschichte eines Dorfes, das den Nationalsozialismus, den Sozialismus und den Kapitalismus über sich hat ergehen lassen müssen, Krankheit und Tod.

Lola Randls Roman karrikiert das Dorfleben auf relativ wenigen Seiten augenzwinkend und zeigt gleichzeitig auf, wie auch das Bedürfnis der Zurück-zur-Natur-Bewegung oft lediglich dem menschlichen Egoismus entspringt. Dass die Protagonisten selten Namen und insofern Platzhalterfunktion haben, stört nicht, ganz im Gegenteil.

Mein persönlicher Liebling im Roman war Gustav, einer der wenigen namentlich Genannten, er ist der willenstarke kleine Sprößling der Protagonistin, der sich von ihr nur noch durch Bestechung mit Süßigkeiten oder durch Gewalt „erziehen“ lässt.

Das einzige, was stören könnte, ist, dass auf die Dauer des Romans, die Betrachtungsweise der Protagonistin eintönig werden könnte. Aber der Roman ist kurz. Ich mag dafür keinen Stern opfern, dennoch sollte man den Roman vielleicht nicht in einem Stück lesen, sondern portionsweise.

Fazit: Ich möchte ein Loblied auf die Schlichtheit singen! Der äußerst charmante Debütroman Lola Randls hat mich überzeugt. Er kommt ohne Manieriertheit, mit einer guten Portion Humor und Piffigkeit daher und ist dennoch klug.

Ich gebe eine Leseempfehlung, besonders für Gartenfreunde!

Kategorie: Anspruchsvolle Literatur? Doch, durchaus.
Auf der Longlist des Deutschen Buchpreises 2019
Verlag: Matthes und Seitz, 2019
 

Kommentare

Marshall Trueblood kommentierte am 07. Oktober 2019 um 17:24

Hätte ich Deine Rezension mal vorher gelesen; dann hätte ich mir den Roman eingeteilt.

So war es mir am Ende tatsächlich zu eintönig...

Trotzdem hat es mir sehr gut gefallen, auch weil ich vieles vom Landleben wiedererkannt habe.

wandagreen kommentierte am 07. Oktober 2019 um 18:40

Wir sollten eine Lesegemeinschaft bilden ;-)