Rezension

Bestseller- und Highlightpotenzial

Die Geschichte des Wassers
von Maja Lunde

Bewertet mit 5 Sternen

Maja Lunde hat einen weiteren Teil des Klimaquartetts geschrieben, welcher dem Vorgänger „Die Geschichte der Bienen“ wahrscheinlich in nichts nachsteht.

 

In „Die Geschichte des Wassers“ werden zwei Handlungsstränge miteinander verknüpft, die sich beide um Wasser drehen. Zum einen wird die Situation von Signe in Norwegengeschildert, die sich im Jahr 2017 als Umweltaktivistin für die Erhaltung und den Schutz des Wassers vor allem in Norwegen einsetzt. Sie begibt sich in der Gegenwart auf eine Reise, mit der sie ihre Vergangenheit bereinigen will, aber auch Klarheit für die Zukunft schaffen möchte. Häufig wird Signes Kindheit geschildert: Ihr Vater, der sich aufopferungsvoll um den Fluss und die Wasserfälle im Ort eingesetzt hat; ihre Mutter, die diesen Aktionen ablehnend gegenüberstand; ihr Jugendfreund Magnus, der eine ganz besondere Rolle spielt.

Der zweite Handlungsstrang ist in Frankreich angesiedelt. Im Jahr 2041 flüchten David und seine Tochter Lou in einer viel zu trockenen und hinfälligen Welt vor der Dürre und erhoffen sich, in einem Flüchtlingslager Hilfe, um den Rest der Familie zu finden. Die beiden finden kurz darauf Signes Boot.

 

Ich habe selten einen Roman gelesen, in dem die Figuren so ausgezeichnet dargestellt wurden, wie ihn „Die Geschichte des Wassers“. Jeder einzelne Charakter hatte seine Stärken; seine Schwächen; den persönlichen Antrieb, manchmal übersteigert zu handeln; seine verzweifelten Momente und sein Fünkchen Hoffnung, welches auch in den dunkelsten Momenten nicht erlosch. Als Leser spürt man den Ehrgeiz der Personen, ihr Ziel zu erreichen. Es fühlt sich an als würde man sie schon wochenlang kennen und mit ihnen fühlen. Man wird lange im Unklaren gelassen, was David und Lou passiert ist. Dadurch baut sich eine stetig wachsende Neugier auf. Aus der völligen Aufopferung und Hingabe für eine selbstlose Lebensaufgabe bezüglich Signe lässt sich enorm viel lernen. Beide Handlungsstränge enthalten demnach Charaktere, die fantastisch miteinander harmonieren, obwohl sie sich nicht ein einziges Mal begegnen.

 

Maja Lundes Schreibstil ist wie für diese Art Roman gemacht! Durch ihr erzählerisches Talent versprüht das Buch seinen eigenen Charme und wird zu etwas ganz Besonderem. Als Leser fühlte es sich an, als würde Lunde über jeden Satz dreimal nachdenken, als wäre jedes Wort nur für diesen Satz gemacht. Sie wählte alles mit Bedacht und schliff mehrere Male an jeder einzelnen Stelle. Einige Passagen taten mir in der Seele weh und brachten mich aufgrund der Situation im Roman beinahe zum Weinen (S.385/386). Das Leiden wird greifbar.

 

Die Gestaltung des Buches ist schlicht gehalten. Wie auch bei „Die Geschichte der Bienen“ ist der Umschlag in einem weiss-gelb Ton gefärbt, auf dem Cover erkennt man ein einzelnes kleines Paddelboot. Außerdem ist die Haptik sehr natürlich und angenehm. Dieses Buch ist das beste Beispiel dafür, dass ein Cover das Interesse wecken kann, um dann in eine Geschichte einzutauchen, die so viel mehr bietet! Ich hoffe, die letzte Hälfte des Klimaquartetts ist ähnlich gestaltet, das führt zu einem harmonischen Ganzen.

 

„Die Geschichte des Wassers“ geht zu Herzen. Ich kann den Roman uneingeschränkt empfehlen, und zwar jedem!