Rezension

Bewahre deine Träume und glaube an das Gute. Deine Liebe kann Grenzen überwinden

Azur - Sabine Schulter

Azur
von Sabine Schulter

Bewertet mit 5 Sternen

"Irgendwann hab`ich meinen Traum verloren...Jetzt bin ich ein lebendiger Teil der Träume anderer..leer und ausgebrannt" (Irina Rauthmann 1958)
"Wer unsere Träume stiehlt, gibt uns den Tod" (Konfuzius 551-479 v. Chr.)

Ich bin immer noch gefangen in den tiefen Emotionen, die Sabine Schulters Roman in mir ausgelöst hat und ich hoffe diese Gefühle hier zum Ausdruck zu bringen.

Kurzbeschreibung:

Jess ist die beste Traumdiebin des Landes und unter ihren Namen Azur fast zu einem Mythos aufgestiegen. Allerdings verabscheut sie das Stehlen und will lieber ein ganz normales Leben führen, wie jeder andere auch. Doch lässt Saphir, der Chef der Diebe, das nicht zu. Er hat sie in der Hand, entscheidet über ihr Leben und ihren Tod.
Jess hat das weitestgehend akzeptiert. Bis sie Cedric und seine Freunde Vincent, Julian und Leander kennenlernt. Die vier sind Behüter, die nur dafür zuständig sind, Traumdiebe zu fangen: also sie.
Doch die vier bieten ihr als Jess, nicht ahnend, dass sie eine Diebin ist, eine unvergleichliche Freundschaft an, die in ihr den Wunsch schürt, von der kriminellen Welt der Diebe fortzukommen. Vor allem als sie spürt, welche Anziehungskraft Cedric auf sie ausübt, zerbröckelt ihr altes Leben. Sie kann und will Cedric nicht entfliehen. Doch sie weiß ganz genau, dass sie kein Mitleid von ihm zu erwarten hat, wenn er herausfindet, dass sie eine Diebin ist.

Meinung:

Sabine Schulter ist es gelungen eine glaubwürdige Welt zu erschaffen, die unserer gar nicht unähnlich ist. Die Ereignisse könnten in unserer realen Welt stattfinden, die Charaktere sind aus der heutigen Zeit gegriffen und könnten uns an der nächsten Ecke begegnen.

Jess ist eine sympathische junge Frau, die auf den ersten Blick ein normales Leben führt. Sie studiert und arbeitet nebenher, um sich ihr Studium zu finanzieren. Eine offene, schlagfertige Art, ein einfühlsames Wesen und der Wunsch für ihre Freunde Gutes zu bewirken, haben mich sofort für sie eingenommen. Aber Jess führt noch ein anderes Leben, dass sie nachts zu schrecklichen Taten zwingt und sie innerlich zerreißt. Das Wissen um ihre Rolle, die weitreichende Konsequenzen nach sich zieht lassen sie in Selbstzweifeln und Schuldzuweisungen an die eigene Person fast zerbrechen. Nichts wünscht sich Jess mehr als sich dem normalen Leben zuzuwenden und Gutes zu bewirken, aber das hieße sich der grausamen Bestrafung des Chefs der Diebesgilde auszusetzen, die ihren Tod bedeuten könnten. Durch furchtbare Erfahrungen in ihrer Kindheit ist es ihr außerdem kaum möglich Nähe zuzulassen, obwohl sie sich nichts mehr wünscht, als geliebt zu werden. Ein Wunder, dass sie sich trotz allem zu einer starken Frau entwickelt hat, die mutig ihren Weg versucht zu gehen-

Cedric ist ein Behüter, der gegen die versnobte Art zu leben, in seinem wohlhabenden Elternhaus rebelliert hat und sich der verantwortungsvollen Aufgabe seines Berufes mit viel Ehrgeiz und Hingabe verschrieben hat. Anfangs scheint er hitzköpfig und verbissen in sein Ziel, den Traumdiebstählen ein Ende zu bereiten. Doch nach kurzer Zeit bekommt der Leser Einblick in sein wunderbares, einfühlsames Wesen, das nichts mehr möchte als zu beschützen. Besonders deutlich wird dem Leser dies, als sich Cedric seiner Gefühle zu Jess bewußt wird und auf eine sehr behutsame, rücksichtsvolle Art Stück für Stück Nähe zu der jungen Frau schafft. Er hat eine sehr sensible Art, mit den Berührungsängsten von Jess umzugehen.

Sabine Schulter entwickelt zwischen diesen beiden Charakteren eine wundervolle, sehr emotionale Liebesgeschichte, die sich ganz zart und glaubwürdig entwickelt und  mich sehr tief berührt hat. Ich habe nicht selten eine Gänsehaut beim Lesen gehabt und dieses berühmte Gefühl eines Flattern im Bauch, weil ich diese Gefühle beim Lesen einfach gelebt habe. Die Autorin hat eine sehr eindrucksvolle Art die Gefühle ihrer Figuren darzustellen und für den Leser greifbar zu machen. Jess und Cedric haben als Charaktere eine außerordentliche Tiefe, die dadurch noch verstärkt wird, dass die Handlung abwechselnd aus Jess oder Cedrics Sicht in der Ich-Perspektive geschildert wird. Somit erhalten wir direkten Zugang zu den Gedanken und Gefühlen der beiden und erleben hautnah mit, was sie empfinden.

Auch die anderen Charaktere um das Hauptpaar sind liebevoll gezeichnet und schaffen sofort Nähe zum Leser. Alle haben einen hohen Identifikationswert und stahlen sich beim Lesen direkt in mein Herz.

Das Thema der Geschichte, das Sabine Schulter aufgreift ist ein sehr aktuelles. Es zeigt sehr deutlich zu welchen Mitteln die Menschen greifen können um an Macht zu gelangen und wie wichtig es ist, dass es Menschen gibt, die dagegen immer wieder ankämpfen und die Hoffnung nicht verlieren. Die Idee durch den Diebstahl der menschlichen Träume auf die politische Situation zu wirken, einflussreiche Personen in eine Abhängikeit zu stürzen um letztendlich durch einen provozierten Krieg die eigene Macht auszuweiten ist grandios und heutzutage mehr als realistisch.
"Meine Träume sind es, die mein Handeln lenken!
Und dadurch mein Schicksal." (Dr. Gustav Großmann 1893-1973)

Jedoch schafft es die Autorin ohne übertriebene Actionszenen und den großen Showdown auskommend,  trotzdem über den gesamten Handlungszeitraum Spannung aufrecht zu erhalten und den Leser an das Buch zu fesseln. Der Focus auf die Gefühlswelt der Figuren und ihrer inneren Entwicklung war es, der mich gebannt hat. Es waren die Ängste, die tiefen Verletzungen, Selbstzweifel und Schuldzuweisungen Jessicas an die eigene Person, der Wunsch nach Liebe und Geborgenheit und trotzt aller Schuld Gutes zu bewirken. Genauso wie die aufrichtige Liebe Cedrics, der sich seinem Hass auf die Diebe und den eigenen Zweifeln stellt um einer eigentlich unmöglichen Liebe eine Chance zu geben. Ich habe beim Lesen die Emotionen der Protagonisten gelebt und mich in Träumen verloren. Es gibt eigenlich keinen Ausdruck dies zu beschreiben, was ich selber gefühlt habe, so tief berührt war ich. Unterstützt wurde das Erleben durch den wunderbaren Schreibstil der Autorin, der uns das Geschehen bildhaft vor Augen führt und die Gefühle ohne jeglichen Kitsch großartig und transparent darzustellen weiß.
Ich habe das Gefühl Sabine Schulter steigert sich von Roman zu Roman ( dies ist der dritte, den ich gelesen habe). Jeder hat bisher für mich an Tiefe gewonnen und begeistert auch ohne komplexen und übertrieben fantastischen Weltaufbau. Gerne lasse ich mich in die von ihr geschaffenen Welten entführen und verzaubern.

Obwohl das Ende noch Raum für die ein oder andere Fortsetzung lässt, so legte ich das Buch doch befriedigt und mit einem Seufzen zur Seite. Ein glaubwürdiges, schönes Ende, dass auch ohne großen Cliffhanger meinen Wunsch sofort die Fortsetzung zu lesen, geweckt hat.
Und mir vor allem den Beweis gegeben hat:
Wahre, aufrichtige Liebe ist in der Lage Hass zu überwinden, Zweifel aus dem Weg zu räumen und Grenzen zu sprengen. Und dies ist für mich auch die Hauptaussage des Romans.

Fazit:

Ein sehr aktueller und tief berührender Roman, der ohne großen Schnick Schnack fesselt bis zur letzten Seite. Danke, dass ich träumen durfte.

"Niemals in der Welt hört Hass durch Hass auf. Hass hört durch Liebe auf."
(Buddha 560-480 v. Chr.)"Irgendwann hab`ich meinen Traum verloren...Jetzt bin ich ein lebendiger Teil der Träume anderer..leer und ausgebrannt" (Irina Rauthmann 1958)