Rezension

Bewegend und voller Stärke

Schloss aus Glas
von Jeannette Walls

Bewertet mit 5 Sternen

Jeannette Walls, die heute als Kolumnistin in New York lebt und arbeitet. Diese im Bürgertum lebende junge Frau sieht auf dem Weg zu einer Party ihre Mutter, die in einer am Straßenrand abgestellten Mülltonne nach Essensresten sucht. Was ist da in dieser Familie passiert, was ist da aus der Bahn gelaufen? Sie steigt nicht aus dem Taxi, um ihrer Mutter Hilfe anzudienen. Nein, sie lässt das Taxi Kehrt machen, um sich nicht die Verachtung, die ihre Mutter gegen sie wegen ihres Lebensstils hegt, anzuhören. Sie fährt Heim und bringt die Geschichte ihrer Kindheit zu Papier.
Rex und Mary Rose Walls leben ein unstetes Nomadenleben und ziehen mit Jeannette und ihren Geschwistern Lori, Brian und Maureen von Arizona nach Kalifornien und von dort über Nevada nach West Virginia. Nirgendwo bleiben sie lange, ständig sind sie auf der Flucht vor Gläubigern und Krankenhausrechnungen. Die Familie wohnt in baufälligen Häusern, einem Wohnwagen, in Autos und irgendwann sogar auf der Straße.

Während der Vater ein ambitionierter Träumer und hoffnungsloser Säufer ist, widmet sich die egomanische und arbeitsscheue Mutter vollkommen ihrer Malerei und lässt die Kinder verwahrlosen.

Weitgehend auf sich selbst gestellt und von einer dürftigen Mahlzeit zur anderen lebend, erleben Jeannette und ihre Geschwister ihr unstetes Leben als ein einziges großes Abenteuer. Bis die Last des Außenseitertums und der bitteren Armut sie schließlich zu erdrücken droht.
Jeannette Walls erzählt aus ihren Kindheitserinnerungen und die Art und Weise wie sie dies tut lässt den Leser diese zum großen Teil schwere Zeit miterleben. Trotzdem ist das Buch keineswegs bedrückend, denn Walls schien schon als Kind eine bewundernswert starke Persönlichkeit zu haben und beschreibt die Geschehnisse der Vergangenheit ohne Verbitterung und beeindruckend authentisch. Dennoch liest sich die Autobiografie der Autorin zu keinem Zeitpunkt verbittert oder anklagend. Im Gegenteil: Ohne Umschweife berichtet sie von den großen und kleinen Katastrophen des verarmten Alltags, als handele es sich um den ganz normalen Familienwahnsinn. Herzerwärmend liest es sich, mit wie viel Verständnis und Liebe sie das Leben ihrer Eltern schildert. Ihr Werdegang ist ein Beispiel für Tapferkeit und Mut.
Der authentische Rückblick von Jeannette Walls auf die schmerzlichen und zugleich wundervollen, äußerlich armseligen und dennoch innerlich auch reichen Jahre ihrer Kindheit hat mich als Leser berührt, beglückt, erschreckt und immer wieder neu in seinen Bann gezogen. Schloss aus Glas zeigt uns viel von dem, was wir brauchen und einiges von dem, was wir weniger brauchen.
Alles in allem ist es ein bewegendes Buch, dass zu Herzen rührt. Es ist  wirklich schön zu sehen, dass man, egal aus welcher Schicht man kommt, sein Leben selbst in der Hand hat und alles erreichen kann, wenn man dafür kämpft und sein Ziel nicht aus den Augen verliert.