Rezension

Bewegende Familiengeschichte

Das Erbe der Rosenthals
von Armando Lucas Correa

Bewertet mit 4 Sternen

Das Buch spielt auf zwei Ebenen.

Da ist einmal die zwölfjährige Jüdin Hannah, die während der Nazidiktatur in Berlin lebt. Ihr Vater ist ein angesehener Professor, ihre Mutter eine schöne und reiche Dame der oberen Gesellschaft. Doch als die Lage für die Juden immer bedrohlicher wird, beschließt die Familie alles zurückzulassen und das Land zu verlassen. Zusammen mit den Rosenthals flieht auch Hannahs Freund Leo mit seinem Vater. Mit dem Luxusliner "St. Louis" fahren sie nach Havanna, denn für Kuba haben sie Visa und können dann angeblich weiter in die USA reisen. Doch alles kommt anders. Der kubanische Machthaber ändert willkürlich - und sicher auch auf Druck Deutschlands - die Einreisebedingungen, die mehr als 900 Passagiere dürfen in Havanna das Schiff nicht verlassen. Nur Hannah und ihrer schwangeren Mutter gelingt es mit wenigen anderen Menschen in Kuba aufgenommen zu werden, ihr Vater, Leo und dessen Vater werden zurück nach Europa gebracht und dem sicheren Tod ausgeliefert.

Im Jahr 2014 suchen Anna und ihre Mutter in New York nach den Spuren von Annas Vater, der bei den Anschlägen vom 11. September umgekommen ist und der seine Tochter nie kennengelernt hat. Eine Spur führt nach Havanna und die beiden reisen dorthin, wo sie Annas Großtante Hannah, die Jüdin von der St. Louis, kennenlernen. Endlich erfahren sie mehr über die Geschichte der Rosenthals.

Das Buch beruht auf der wahren Geschichte der Passagiere der "St. Louis", die der Autor akribisch recherchiert hat und das Buch ist mit Fotos und den Unterschriften der Passagiere angereichert. Leider sind die dramatischen Ereignisse wenig bekannt, einige der Menschen überlebten, weil Großbritannien sie aufnahm. Viele andere, die in Belgien, den Niederlanden und Frankreich an Land gehen durften, wurden in die Gaskammern der Nazis gebracht und kamen um. Auf Berichte der Überlebenden stützt sich auch das Buch.

Mir hat das Buch sehr gut gefallen, denn einerseits wird dem Leser ein ziemlich unbekanntes Kapitel der unseligen deutschen Geschchte auf eine persönliche Art nahegebracht, andererseits ist das Buch sehr gut lesbar geschrieben und die handelnden Personen sind eindrücklich geschildert. Die Geschichte bewegt und man kann gut nachvollziehen, welche Ängste und Unsicherheiten die beiden fast gleichaltigen jungen Mädchen in den bedrohlichen Situationen vor einem ganz unterschiedlichen zeitgeschichtlichen Horizont empfinden.

Immer noch ist das Buch erschreckend aktuell. Man denkt unwillkürlich an die Irrfahrten verschiedener Flüchtlingsboote auf dem Mittelmeer, die voller Menschen waren, die keine Hoffnung mehr hatten und die nirgendwo erwünscht waren.