Rezension

Bewegende, harte Geschichte über Verlust und Schuld

Boy - Wytske Versteeg

Boy
von Wytske Versteeg

Bewertet mit 4 Sternen

Boy ist tot. Ihr hübscher Junge, über dessen Adoption sie sich so gefreut hatten. Ihr stiller, höflicher, schüchterner Junge, dessen Stille, Höflichkeit und Schüchternheit irgendwann zum Problem wurde. Wytske Versteeg beschreibt eindringlich, wie Schuld und Wut das eigene Leben aus der Bahn werfen können und wohin die Suche nach Antworten eine Mutter treiben kann.

Boy ist eine ruhig erzählte tieftraurige Geschichte über die Suche nach Wahrheit, über Verantwortung und das eigene Versagen. Bewegend aber hart zu lesen, weil hier nichts verklärt und nichts beschönigt wird. Versteegs Einblicke in die Gefühle und Gedanken der Mutter Boys waren präzise und authentisch. Ihre Geschichte zu lesen war oft schmerzhaft, vor allem wie nah der Tod ihres Kindes gerade der Frau geht, die selbst eher praktisch und wenig emotional veranlagt ist.

Schön beschrieben war auch das einfache und harte Leben in Bulgarien in Gegensatz zur „heilen Welt“ in den Niederlanden. Es passte wunderbar zu den beiden Frauen – Boys Mutter und Boys Lehrerin – , die in ihrer Wut und ihrer Schuld ähnlich elementar wirken, wie die Landschaft dort. Anstrengende Feldarbeit mit nur spärlichen Resultaten, unglaublich heiße Sommer und schrecklich kalte Winter; man kann sich die beiden irgendwann kaum in einer normalen Umgebung vorstellen.

Dieser Roman hat einen bitteren Beigeschmack, liest sich aber trotz seiner Härte klasse. Es passiert nicht viel, aber allein die Entwicklung der Figuren ist äußerst gelungen. Sei es ihre Beziehung zueinander, als auch die Einblicke in ihr Seelenleben. Eine gewisse Spannung hält die Geschichte dadurch, dass die Klärung der Todesumstände Boys immer im Raum steht. Es ist aber definitiv keine Krimi, sondern eine wunderbare Erzählung über Verlust, die schmerzt und im Gedächtnis bleibt.