Rezension

Bewegender und sehr realistischer Jugenroman

Train Kids
von Dirk Reinhardt

Bewertet mit 5 Sternen

„...In der dunkelsten Zeit sind die Freundschaften immer am hellsten...“

 

Miguel ist 14 Jahre alt, als er sich in Tajumulco in Guatemala auf den Weg zu seiner Mutter in den USA macht. Sie hatte vor sechs Jahren die Familie verlassen und schickt regelmäßig Geld und Briefe. Das aber genügt Miguel nicht mehr. Seine kleine Schwester Juana lässt er bei Onkel und Tante zurück

An der Grenze zu Mexiko trifft Miguel auf den 16jährigen Fernando, Emilio, einen Indio aus Honduras, den elfjährigen Angel und Jaz, die eigentlich Jazmina heißt und sich als Junge verkleidet hat. Alle fünf haben das gleiche Ziel. Sie wollen illegal mit den Zügen durch Mexiko in die USA. Die Gruppe bleibt zusammen. Fernando nimmt das Zepter in die Hand.

Der Autor hat einen bewegenden und erschütternden Jugendroman geschrieben. Die Geschichte hat mich schnell gefesselt. Das lag zum einen an der Thematik, zum anderen an dem gleichbleibend hohen Spannungsbogen und nicht zuletzt an der Realitätsnähe der Erzählung. Auch das vom Autor bewusst gewählte Stilmittel, Miguel die Reise und ihre Erlebnisse schildern zu lassen, trägt zur Authentizität der Handling bei.

Sie nennen sich die verlorenen Kinder. Aufgewachsen bei Großeltern oder Verwandten, weil die Eltern der Armut der Heimat entflohen sind und nun als Illegale in den USA leben, suchen sie nicht nur ein besseres Leben, sondern wieder die Geborgenheit einer Familie. Dieser Zwiespalt zwischen Hoffnung auf die Liebe der Mutter und Zweifel daran wird bei Miguel besonders deutlich.

Sie, die fast noch Kinder sind, begeben sich auf eine Reise, die sie zwingt, erwachsen zu werden und sie auf immer verändert.

Der Schriftstil ist der Zielgruppe angepasst. Dazu gehört auch, dass manches Geschehen am Rande nur angedeutet und nicht in seiner Grausamkeit detailliert dargestellt wird. Der Autor hat es insbesondere ausgezeichnet verstanden,die Vielfalt der Emotionen herauszuarbeiten. Fast poetische Abschnitte, in denen die Schönheit der Landschaft beschrieben wird, wechseln mit den Träumen von Miguel, die mir als Leser einen Einblick in seine Vergangenheit geben. Dadurch wird nicht nur das Handeln der Mutter nachvollziehbar, sondern auch Miguels Liebe zur kleinen Schwester in jeder Zeile spürbar. In seinen Briefen an sie ringt er um die richtigen Worte. Und dann gibt es die Szenen, wo die Kinder nicht nur um ihr weniges Hab und Gut, sondern auch um ihr Leben fürchten müssen. Korrupte Polizisten und eiskalte Räuberbanden sind nur zwei der sie bedrohenden Gefahren. Doch sie finden auch Helfer in der Not, die sich damit selbst in Lebensgefahr begeben. Dabei ist Vertrauen ein zweischneidiges Schwert. Wer dem Falschen vertraut, trifft auf Verrat.

Am Anfang sind die Protagonisten wie ein unbeschriebenes Blatt. Nach und nach lerne ich sie als Leser besser kennen. Eine interessante Persönlichkeit ist insbesondere Fernando. Er ist schwer zu durchschauen und immer wieder für eine Überraschung gut.

Die fünf wachsen während der Reise zusammen. Sie stehen füreinander ein und stellen Freundschaft und Hilfsbereitschaft der Grausamkeit der Umwelt und der Gewalt der Erwachsenen gegenüber.

Im Nachwort beschreibt der Autor nicht nur seine Recherchearbeit, sondern zeigt auch Originalbilder aus der Gegend.

Das Cover mit dem Bahnhof und dem nachdenklichen Blick des Jungen passt ausgezeichnet zum Buch.

Der Roman hat mir ausgezeichnet gefallen. Auf beeindruckende Weise hat der Autor aufgezeigt, welches harte Leben vor vielen Kindern dieser Welt liegt. Besonders bitter daran ist, dass wir wissen, dass ihnen auch in den USA als Illegale kaum eine Perspektive bleibt, um eine Schule besuchen zu können und der Armut zu entfliehen.