Rezension

Bewegendes Bilderbuch - auch für Erwachsene

Ein neues Land - Shaun Tan

Ein neues Land
von Shaun Tan

"Ein neues Land" (Originaltitel "The Arrival") beschreibt die Geschichte eines Mannes, der in ein neues Land auswandert. Ein bewegender Abschied von Frau und Kind, die lange Reise, die Ankunft und die Untersuchung, ob die Einreise überhaupt erlaubt wird. Dann eine völlig fremde Welt: Fantastisch anmutende Architektur, ungewöhnliche Verkehrsmittel, unbekannte Lebensmittel, fremde Bräuche, eine unverständliche Sprache, nicht entzifferbare Schrift und merkwürdige Tiere. Der Emigrant muss sich auf die Suche machen nach einer Unterkunft, Essen und einer Arbeit. Dabei trifft er immer wieder auf andere Menschen, und einige von ihnen berichten aus ihrer Vergangenheit und warum sie in dieses neue Land gekommen sind. Nach langer Zeit kann die Familie des Emigranten endlich nachkommen. Das Buch endet damit, dass die Tochter ihrerseits einer neu eingetroffenen Emigrantin den Weg weist.

Das Buch verarbeitet einerseits biographische Hintergründe (Shaun Tans Vater ist 1960 aus Malaysia nach Australien eingewandert), andererseits historische Quellen (wie die Untersuchung in Ellis Island vor der Einreiseerlaubnis in die USA um 1900). Die Darstellung gewinnt allgemein menschliche Züge, da Tan die Gefühle des Emigranten plastisch verdeutlicht: Die Trauer beim Abschied, die Angst bei der Untersuchung, die Verwirrung im neuen Land, die Erschöpfung bei der Arbeitssuche, die Freude über erste verständnisvolle Kontakte, die Sehnsucht nach der Familie und schließlich das Glück bei der Wiedervereinigung. Das Buch wird so zu einem Plädoyer für Zugewanderte.

Dabei kommt Tan ganz ohne Worte aus. Wie der Emigrant sich ohne Sprache in dem neuen Land zurechtfinden muss, muss auch der Betrachter seine Beobachtungen, seine Gefühle und seine Schlussfolgerungen in eigene Worte fassen. Alle Bilder sind Bleistiftzeichnungen, die am Computer koloriert wurden; dabei wurden ausschließlich Brauntönungen verwendet. So entsteht der Eindruck eines alten Albums mit sepiafarbigen Fotos. Auch der Einband trägt dem Rechnung. Darstellungsmittel des Films als bewegte Bilder werden gleichfalls eingesetzt: So wechseln detaillierte Nahaufnahmen mit Panoramablicken, Bilderfolgen zeigen wie in Zoom-Technik immer engere oder weitere Ausschnitte, in Rückblenden (durch einen anderen Farbton gekennzeichnet) erfahren wir von den Erlebnissen und Auswanderungsgründen anderer Personen. Diese Illustrationsform verbindet auf geniale Weise vertraute Realität wie das Binden eines Schnürsenkels mit befremdenden Einblicken in die fantastische Welt. 

Fazit: Diesem Buch wünsche ich viele "Leser" bzw. Betrachter - solche, die seine Botschaft annehmen.