Rezension

Bezaubernd..

Der Märchenerzähler - Antonia Michaelis

Der Märchenerzähler
von Antonia Michaelis

Bewertet mit 5 Sternen

An Annas Schule gibt es einen Außenseiter: Den polnischen Kurzwarenhändler, wie er von anderen oft genannt wird. Sein richtiger Name ist Abel Tannatek, doch so nennt ihn eigentlich niemand- wer spricht denn einen Drogendealer schon mit seinem richtigen Namen an..?
Abel ist unauffällig: Seine blonden Haare sind auf drei Millimeter geschnitten, er trägt einen Militärparka, eine schwarze Mütze, die er tief in sein Gesicht zieht, und er hört ständig Musik.. Doch etwas an ihm fasziniert Anna.. Anna, die in der Schule nie fehlt, gute Noten schreibt und ihr Abi bald sicherlich gut bestehen wird. Anna, die in einer Seifenblase lebt und immer bei den anderen ist, aber irgendwie auch entfernt.. Anna, die hervorragend Querflöte spielt.. Anna aus dem guten Hause...
Auch wenn ihre beste Freundin Gitta sie warnt, ihr Herz an Abel zu verlieren, ist es schon bald zu spät.. Anna ist verliebt. Hoffnungslos..
Aber nicht in den Drogendealer-Abel, sondern in den Abel außerhalb der Schule, außerhalb von seinen nächtlichen Kurierjobs... Denn der wahre Abel ist traurig, liebevoll und fürsorglich, denn er stellt das Wohl seiner kleinen Schwester Micha über alles und will für sie nur das Beste.. In wirklichkeit ist Abel sanft und erzählt Anna und Micha ein wunderbares, aber auch trauriges Märchen.. Doch ist das Märchen der Realität so ähnlich.. Erzählt Abel vielleicht die Wahrheit..? Unmöglich..
Anna hat immer mehr Kontakt zu Abel.. Und die ersten Menschen um sie herum sterben.. Abel und sie müssen den Täter finden.. Ihn stellen.. Micha beschützen.. Denn es gibt so viel Böses auf der Welt, und mindestens genauso viel Gutes, dass in Wahrheit dem Bösen hilft..

Dieser Judendthriller hat eine ganz besondere Art, die besonders durch den Schreibstil zustande kommt. Ganz zu Beginn wird zum Beispiel eine Ballade zitiert, sodass man beim Beginn der Geschichte schon in das Buch und in die Sprache eingetaucht ist. Man ist immer Mittem im Geschehen und bekommt alles unglaublich gut mit, obwohl es dabei immer gleichzeitig sehr fern ist.. Die Worte halten einen als Leser fest, sodass man überhaupt nicht mit dem Lesen aufhören kann und immer mehr von dem Märchen in sich aufnimmt.
Was ich auch sehr gelungen fand, war, dass Anna sich ihre eigene Welt immer mehr verändern sieht.. Füher war sie selbst die kindliche in ihrer Gruppe, doch nun ist es umgekehrt, denn die anderen wissen von nichts.. Sie bezweifelt, dass Harmonie durch einen Kamin oder ein neues Sofa entsteht, sondern viel eher in der kleinen Wohnung mit den Kinderbildern wohnt.. Doch während ihre Sicht auf die Dinge klarer zu werden scheint, verliert sie auch gleichzeitig etwas von dem Verständnis der Welt.. Das ist beim Lesen sehr beeindruckend, und keineswegs so abgedreht wie es jetzt klingen mag, sondern ganz verständlich und passend.
Antonia Michaelis konnte ihr Buch auch mit reichlich Spannung füttern; Die Antwort auf eine der Grundlegenden Fragen war für mich zwar vorhersehbar, aber der gesamte Rest (und das war nicht gerade wenig) war undurchschaubar. Man selbst war, genauso wie Anna, hin-und hergerissen, was man glauben sollte, wem man vertrauen konnte und wem nicht. Bis zur letzten Seite habe ich mitgefiebert und das Ende war auch... besonders.. Mehr möchte ich dazu nicht sagen. ;)
Stattdessen möchte ich lieber etwas zu einer Kritik sagen, die bei diesem Buch oft angebracht wird: Es verharmlose kriminelle Handlungen.
Gut, das kann man so sehen, ich bin jedoch anderer Ansicht. Denn schon auf den ersten Seiten wird deutlich, dass die einzelnen Personen in dem Buch in ihren eigenen Seifenblasen leben, viel durchgemacht haben, abgehärtet sind,.. jeder auf seine Art und Weise... Es wird ganz deutlich dass es nicht die normale Sicht auf die Dinge ist!! Wenn man diese Kritik bei "Der Märchenerzähler" anbringt, müsste man bei jedem Krimi oder Thriller sagen, Gewalt würde verherrlicht.
Das war nicht der Fall!!!
Keine Verherrlichung oder Verhamlosung!!!!
Absolut nicht!! Stattdessen wird viel eher die Kraft die man aus Zusammenhalt schöpft hervorgehoben.. Und das ist meiner Meinung nach keine bedenkliche Aussage..
Und man muss auch bedenken, dass es sich hier um einen Jugendthriller handelt und nicht um ein Kinderbuch...
Aber da kann sich jeder seine eigene Meinung bilden, denn dieses Buch sollte jeder gelesen haben!!
Ein wunderschönes Buch, über das man auch noch nach der letzten Seite lange nachdenkt!!