Rezension

bezaubernde Idee mit (leider) bitterem Nachgeschmack

Die besondere Traurigkeit von Zitronenkuchen - Aimee Bender

Die besondere Traurigkeit von Zitronenkuchen
von Aimee Bender

Bewertet mit 3.5 Sternen

Der Dienstag vor Rose Edelsteins neuntem Geburtstag soll ihr Leben für immer verändern: In dem selbstgebackenen Zitronenkuchen ihrer Mutter entdeckt sie einen Hauch von Traurigkeit. Nach einem ersten Moment des Schreckens erkennt Rose, dass sie Gefühle schmecken kann. Fortan wird das Essen für das junge Mädchen zunehmend eine Qual, denn mit jeder Mahlzeit erfährt sie mehr über die Gefühlswelt des Zubereiters als ihr oft lieb ist.Zwar lernt sie mit der Zeit, mit ihrer Gabe und der darin liegenden Verantwortung umzugehen, jedoch legen sich ihr die unter der Oberfläche schwelenden familiären Probleme plötzlich offen: Was verheimlicht ihre Mutter, deren Gerichte neuerdings nach übersprühender Liebe mit einem Hauch von Schuldgefühlen schmecken ? Und warum zieht sich ihr Bruder zusehends zurück?   

Aimée Benders Debütroman (im Original: „The particular sadness of lemon cake“) überzeugt optisch mit einer farbenfroh-markanten Covergestaltung, das verwendete Motiv des Stücks Zitronentorte hebt sich deutlich vom blauen Hintergrund ab und fällt sofort ins Auge. Positiv anzumerken ist hierbei, dass das Cover von einer englischsprachigen Ausgabe übernommen wurde und an die erste Schlüsselszene des Romans angelehnt wurde, nach welcher das Buch auch benannt ist.

Sprachlich gelingt es der Autorin, ein zartes, einfühlsames Werk über ein Mädchen zu schaffen, dass zunächst völlig überfordert von ihrem neuentdeckten Talent ist und sich nur langsam an ihre Situation gewöhnen kann.Über weite Strecke beeindruckt der Roman mit einer Gradwanderung zwischen Realität und Fantasie, die an Joanna Harris „Chocolat“ oder Ewald Arenz „Der Duft von Schokolade“ erinnern lässt.Behutsam werden die Entwicklungen innerhalb der Familie Edelstein offenbart, Roses Beziehung zu den Eltern, ihrem Bruder Joseph und dessen Freund George, auf den sie heimlich ein Auge geworfen hat.

Leider jedoch steht Roses Geschichte vom Erwachsenwerden nicht lange im Vordergrund des Geschehens. Vielmehr verlagert sich der Schwerpunkt der Erzählung alsbald auf die surreale Welt des Bruders, der zunehmend lebloser wirkt und sich von seiner Familie zu distanzieren versucht, bis die Geschichte ins Absurde kippt und der Lektüre ihren Charme nimmt.

Übrig bleibt der durchaus zauberhafte Ansatz, die Geschichte einer ganz und gar nicht normalen Familie erzählen zu wollen. Leider aber hat mich die unerwartete Wendung etwas ratlos und frustriert zurück- und die Geschichte ein wenig ihrer Magie einbüßen lassen. Wo anfangs noch ein wohlig-warmes Gefühl von Unwissenheit Erklärungen für Roses Sensibilität zu finden versuchte, herrschte gegen Ende das kalte, sichere Wissen vor, in einer Fantasiewelt abgetaucht zu sein. Aus meiner Sicht nimmt dies dem Roman ein wenig von der Leichtigkeit, die er gut vertragen könnte.