Rezension

Beziehungsorientierter Ansatz mit vielen schönen Beispielen aus dem Leben der Autorinnen erklärt

Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn - Danielle Graf, Katja Seide

Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn
von Danielle Graf Katja Seide

Bewertet mit 5 Sternen

Tolles Buch! Schöne Beispiele und wirkliche Hilfen für den Alltag. Zusammenfassend: Liebevoller Umgang gewinnt

Durch Zufall bin ich vor Kurzem bei einer Recherche im Internet nach den Entwicklungssprüngen von Kindern nach dem ersten Lebensjahr auf den Blog (http://www.gewuenschtestes-wunschkind.de/) der beiden Autorinnen gestoßen. Nachdem ich mich da schon kreuz und quer durchgelesen hatte und auch zwei von ihren Buchvorschlägen (Jesper Juul: "Dein kompetentes Kind" und Alfie Kohn: "Liebe und Eigenständigkeit") gelesen habe, habe ich mir schließlich auch noch ihr erst letztes Jahr erschienes Buch gekauft.

Mich hat ihr Ansatz der beziehungsorientierten Erziehung sehr neugierig gemacht und nach der Lektüre einiger anderer Bücher (siehe oben) und diesem hier und vieler direkt Experimente mit meiner kleinen Tochter kann ich diesen Ansatz jetzt auch voller Überzeugung leben.

Das Buch glieder sich in folgende Kapitel:
(1) Übersetzungshilfen für Eltern kleiner Wutwichtel
(2) Trotzdem: Autonomie fördern
(3) Tipps und Tricks für einen entspannten Alltag
(4) Schnelle Hilfen für akute Trotzanfälle

Gut gefällt mir dabei, dass die Autorinnen alle ihre Aussagen mit Beispielen und Fallbeschreibungen aus ihrem eigenen Familienleben erklären und wirklich schön darstellen, was gewisse Reaktionen von Kindern eigentlich bedeuten und wie oft Erwachsene diese falsch interpretieren.

Bevor ich selber ein Kind hatte, vertrat ich zum Teil auch die Auffassung, man muss nur konsequent sein und dem Kind ja nichts durchgehen lassen. Wenn man dann einiges darüber liest und auch hier in dem Buch die Beispiele sich anguckt, wird immer mehr klar, dass das Bild das von Kindern in der Gesellschaft oft vorherrscht total negativ ist und wir alle davon ausgehen, dass Kinder nichts anders vorhaben, außer uns Eltern auf der Nase herumzutanzen. Liest man sich dazu dann Jesper Juul oder auch Alfie Kohn durch und kombiniert das mit dem Buch hier, fällt einem immer mehr auf, dass man sich eine selbsterfüllende Prophezeihung schafft, wenn man das Kind immer negativ sieht und die Annahmen einfach nicht stimmen. Kein Mensch ist per se böse und die Kinder wollen im Gegenteil immer mit den Eltern "kooperieren" (schönes Wort). Nur oft verstehen sie gar nicht, was die Eltern von ihnen wollen oder können auch gar nicht nachvollziehen, wieso die Eltern sie nicht verstehen.

Nach der Lektüre von diesem Buch habe ich auf jeden Fall viele Verhaltensweisen ganz anders gesehen und interessanterweise ist auch vieles mit meiner Tochter viel entspannter noch geworden, seitdem ich oft die Empfehlungen und Hinweise aus dem Buch im Hinterkopf habe. Wenn man mal beobachtet, wie oft das eigene Kind tatsächlich kooperiert, ist man irgendman echt positiv überrascht.

Gut gefällt mir auch anstatt von "Trotzphase" von der "Autonomiephase" zu sprechen und die Phase mal anders zu betrachten: Es geht nicht darum, dass das Kind einfach nur stur seinen Willen bekommen möchte, sondern es geht darum, dass das Kind selbstständiger wird und immer mehr selber machen möchte. Und das möchten wir Eltern doch auch. Jedoch kann man nicht beim ersten Versuch gleich alles perfekt und alles braucht Zeit und Übung. Wer das den Kindern zugesteht, hat man auf einmal keinen "Trotzkopf" mehr, sondern ein eigenständiges Wesen.

Gleichzeitig zeigen die Autorinnen auch hier wieder, dass Wutanfälle auch per se nichts Negatives sind, sondern die Kinder auch lernen müssen mit dieser Emotion umzugehen. Wir kommen nun mal nicht auf die Welt und kennen alle Emotionen und wissen, wie wir gesellschaftskonform mit ihnen umgehen können. Das müssen wir alles lernen und auch dafür zeigt dieses Buch schön anhand von Praxisbeispielen, wie das gut funktionieren kann.

Sachbücher zu bewerten, ist ja immer eher schwierig, doch ich vergebe hier ohne Abzüge volle fünf Sterne. Alles in allem finde ich dieses Buch klasse und kann es nur jedem empfehlen, der auch, so wie ich, seine eigene Erziehung hinterfragt und sich die Frage stellt, ob Erziehung nicht auch ohne Strafen, besonderes Lob und "Wenn-dann-..." Aussagen funktioniert.