Rezension

Big Brother für die Wissenschaft

Die Terranauten
von Tom Coraghessan Boyle

In den 90er Jahren sorgt ein wissenschaftliches Experiment für Aufsehen: Jeweils vier Männer und Frauen lassen sich für zwei Jahre in ein abgeschlossenes Ökosystem einsperren um die wissenschaftlichen Funktionsweisungen und Auswirkungen in sämtlichen Ebenen zu untersuchen. Was als wissenschaftliche Errungenschaft beginnt führt einen schon bald in menschliche Abgründe und Charakterstudien ein und das Team wird auf eine harte Probe gestellt...

Das Projekt an sich war mir an mehreren Stellen suspekt und als Leser kann man sich weder mit den Charakteren, noch mit der Handlung selbst identifizieren. Vielmehr ist man ein unbeteiligter Beobachter und Zuschauer und das Projekt erinnert somit nicht nur für die fiktive Umwelt, sondern auch für den Leser selbst sehr stark an einen wissenschaftlichen Big-Brother-Verschnitt. Das Projekt führt einen sowohl innerhalb der Ecosphäre als auch außerhalb in menschlichen Abgründe ein und das Experiment wird überschattet von Überwachung, Neid, Ruhmsucht, Ehrgeiz und Egoismus. Die Charakterstudien der einzelnen Teilnehmer waren dabei durchaus spannend und faszinierend, auch wenn die Handlung oft nüchtern war und sich in Details verloren hat, war die Geschichte auf eine ganz andere Weise als herkömmliche Romane fesselnd. Die Charakterzüge der Teilnehmer werden nachvollziehbar aufgebaut, ihre Emotionen und Handlungen auf eine ehrliche und unbeschönigte Art geschildert und das Projekt wirkt in seinen verschiedenen Ebenen authentisch. Durch die konfliktgeladene Atmosphäre und auch durch ein für mich als Leser eher frustrierendes Ende gibt T. C. Boyle seinen Lesern viel Stoff zum Nachdenken und dem Autor ist mit seinem Werk "Die Terranauten" ein beeindruckendes Stück Literatur gelungen.