Rezension

Big Erebos is watching you

Erebos 2 - Ursula Poznanski

Erebos 2
von Ursula Poznanski

Bewertet mit 4 Sternen

Mit „Erebos“ ist Ursula Poznanski vor acht Jahren ein kleiner Geniestreich gelungen. Ein mitreißender, innovativer Jugend-Cyberthriller, der mit der detaillierten Beschreibung eines actiongeladenen Fantasy-Computerspiels überraschte und damit extrem nah an die Zielgruppe rückte, ihre Sprache und Interessen in authentischer Weise aufgriff. Wenn eine Autorin die Latte derart hoch legt, sind die Erwartungen natürlich riesig. Auch bei mir. Und, um es vorweg zu nehmen: Im direkten Vergleich kann „Erebos 2“ nicht mithalten. Der Nachfolger ist unterhaltsam, gut geschrieben, größtenteils auch spannend. Aber nicht so dicht, schlüssig und frisch wie der Vorgänger.

Genau wie in der Realität sind im Buch einige Jahre vergangen, seit Erebos Spieler rekrutiert und sie auf Ortolan angesetzt hat. Die Schüler von früher
stehen mit beiden Beinen im Berufsleben oder sind auf dem Weg dorthin – wie Nick, der sich sein Studium mit Fotojobs finanziert. Aber plötzlich ist Erebos zurück, installiert sich von selbst auf Nicks Handy und Computer und pfuscht in dessen Angelegenheiten herum. Und nicht nur dort: Auch bei dem 16jährigen Derek und anderen taucht Erebos auf. Mächtiger denn je. Nur: Welchen Plan verfolgt es dieses Mal? Und wer hat Erebos reaktiviert?

Gerade der Anfang ist toll gelungen. Die mysteriöse Aura, die kleinen Déjà-vus. Ich fand es großartig, alte Bekannte wiederzutreffen. Man ist sofort mittendrin und die beiden Erzählperspektiven – Nick und Derek – sorgen erstmal für Abwechslung. Während Nick Erebos am liebsten sofort wieder loswerden möchte, lässt sich Derek von dem Spiel locker ködern. Dabei fügen sich die Charaktere aber nicht ganz so perfekt in das Geschehen ein, wie im ersten Teil. Von Nick hätte ich aufgrund seiner Erfahrungen und seines Alters mehr Widerstand erwartet. Mehr Ausgebufftheit, mehr Biss! Und Derek war mir teilweise etwas zu gutgläubig.

Was natürlich besonders reizt, sind die neuen (gruseligen und durchaus denkbaren) Fähigkeiten von Erebos. Im Zeitalter der totalen Vernetzung sind sie nahezu unbegrenzt. Nur kommen im Laufe der Geschichte ausgerechnet die technischen Aspekte zu kurz. Erebos hat eine ganze Menge Tricks auf Lager, schöpft seine Möglichkeiten aber nicht annähernd aus. Und wie es die Manipulationen im Detail bewerkstelligt, bleibt ebenfalls offen. Erebos kann alles und weiß alles. Basta!

Die Fantasywelt von Erebos ist zwar wieder eine tolle Kulisse, die Faszination aber nicht so groß wie vor acht Jahren. Vielleicht, weil vieles ähnlich ist, weil  man ahnt, dass sich am Ende ohnehin alles in der realen Welt auflöst. So wird es im Mittelteil dann fast etwas eintönig. Kämpfe – Aufträge – Belohnungen – Strafen. Was dahinter steckt, ist lange Zeit unklar und hinter vielen poznanski-typischen kleinen Denksportaufgaben und Reimrätseln verborgen.

Spannend wird es dann wieder gegen Ende, wenn die Geschichte nochmal Fahrt aufnimmt und die Protagonisten Stück für Stück der Wahrheit auf den Pelz rücken. Wie so oft wird die Auflösung wohl Geschmackssache sein. Ich fand sie okay, von der Thematik her realitätsnah, aber auch sehr weit hergeholt.

Fazit: „Erebos 1“ ist ein Lieblingsbuch und als solches unübertroffen. Der Nachfolger kann unterhalten und lässt Fans dank alter Bekannter und einigen Parallelen in alter Erebos-Nostalgie schwelgen, schlägt aber lange nicht so ein wie das Original.

Kommentare

E-möbe kommentierte am 09. September 2019 um 10:28

Hab's jetzt auch gerade zu Ende gelesen und sitze einfach nur da und denke mir: echt jetzt? Ich hatte auch die ganze Zeit Victor im Verdacht, was für mich irgendwie auch logischer gewesen wäre. Komme mir ernüchtert vor. 

Verlag: Hallo, Frau Poznanski, wie sieht's aus, seit dem letzten Buch ist schon ein Dreivierteljahr vergangen! 

UP: I hob grad' koa Plan net, hearst! (Sie wienert natürlich.) 

Verlag: Ach, dann schreib doch einfach Erebos noch mal. Fällt doch keinem auf! 

UP: A guade Idea! Des moch i! 

lex kommentierte am 09. September 2019 um 13:53

Ja, das habe ich auch so empfunden - alles recht ähnlich, die Weiterentwicklung fehlt. Und die technischen Neuerungen haben mich auch nicht vom Hocker gehauen. Ich hab's trotzdem gern gelesen, mich mit der Auflösung aber nicht so hundert Prozent anfreunden können.

E-möbe kommentierte am 09. September 2019 um 19:04

Nicht zu vergessen: Nick hat sich null weiterentwickelt. Oder zurück. Mit 16 fand ich den cooler. 

Und ganz oft sind die Dialoge direkt im Spiel 1:1 von Erebos 1 übernommen. Hat UP wohl keinen Bock gehabt, sich was Neues einfallen zu lassen?

lex kommentierte am 09. September 2019 um 22:39

Aus Nick ist echt 'ne Nulpe geworden. Und dass Derek nach dieser Lagerhaus-Nummer weiter bei Erebos mitmacht, war für mich schon gar nicht nachvollziehbar. :-( Ich weiß auch nicht so genau, wieso Erebos Helen ins Spiel geholt hat. Die Geschichte rund um ihr Kind und das Sorgerecht usw. fand ich echt unlogisch und übertrieben.

E-möbe kommentierte am 10. September 2019 um 19:29

Stimmt, das mit Helen war mir auch suspekt. Vielleicht wollte UP zeigen, dass sich wenigstens eine Person weiterentwickelt hat? ;) 

Und trotzdem noch 4 Sterne von dir, Alex, Alex ... :D

lex kommentierte am 10. September 2019 um 21:19

Doch. Knappe vier Sterne, aber vier Sterne. Ich fand das Buch trotz allem unterhaltsam. Ich glaube, ich gehe sogar zur Lesung in der Mayerschen am Freitag. :-D

E-möbe kommentierte am 10. September 2019 um 22:34

Kannst mir hinterher gleich berichten, ob sie so wienert, wie ich es vermute. :D (Ob ich ihren Dialekt gut getroffen habe.)

lex kommentierte am 13. September 2019 um 19:51

Tonprobe... Ich kann keinen Dialekt feststellen. Höchstens ganz leicht. :-)

E-möbe kommentierte am 13. September 2019 um 22:51

Nicht mal das kann sie! :D

lex kommentierte am 14. September 2019 um 23:00

:-D

wandagreen kommentierte am 16. Oktober 2019 um 10:05

Zu Helen: Ich nicht. Mehr davon! Das machte es wenigstens etwas abwechslungsreicher. So was hätte man noch mehr gebraucht. Und wer gefehlt hat, war ALEXA. Ich hätte es toll gefunden, wenn Alexa hinter allem steckt.

Man darf nicht vergessen, dass Erebos 2 ein Jugendbuch ist, rein zur spannenden Unterhaltung zwischen 12 und 14einhalb. Und ihr, liebe Damen, längst drüber seid, sozusagen überreife Pflaumen seid.

lex kommentierte am 16. Oktober 2019 um 10:32

Hatte unlängst die Gelegenheit, mich mit der Zielgruppe bei einer Lesung auszutauschen und stellte fest, unreife und überreife Pflaumen sind sich ziemlich einig. :-)

wandagreen kommentierte am 16. Oktober 2019 um 11:43

xD.

wandagreen kommentierte am 16. Oktober 2019 um 10:01

Man hätte mehr Allianzen gebraucht - die dann auch im RL gemeinsame Interessen verfolgt hätten - so gegen Ende des Mittelteils fing ich an, mich sehr zu langweilen.

lex kommentierte am 16. Oktober 2019 um 10:33

Bei mir ähnlich.