Rezension

BIG in Japan!

Unter der Mitternachtssonne - Keigo Higashino

Unter der Mitternachtssonne
von Keigo Higashino

Bewertet mit 5 Sternen

Unbedingt lesen!

Keigo Higashino - Unter der Mitternachtssonne

Osaka, 1973
Der Pfandleiher Yosuke Kirihara geht zur Bank und hebt eine Million Yen ab, wenig später wird er in einem verlassenen Gebäude tot aufgefunden, mehrere Messerstiche in Brust und Schulter lassen keinen Zweifel. Es war Mord. Eine kleine Task-Force untersucht den Fall, doch alle Ermittlungen enden in einer Sackgasse.

Die junge Witwe und der Angestellte Matsuura werden sofort getrennt voneinander vernommen, doch ihre Aussagen stimmen über ein. Das berechnete Zeitfenster ist zu klein, ein angenommener Anruf wird zum Alibi. Der 12jährige Sohn des Pfandleihers gibt widerwillig knappe Antworten, ansonsten hüllt er sich in Schweigen.
Kommissar Sasagaki dringt nicht zu Ryo durch, den Jungen umgibt eine düstere Aura.

Eine Stammkundin gerät vorübergehend ins Visier, doch nur 1 Jahr später stirbt sie an einer Gasvergiftung..angeblich ein Unfall. Als Sasagaki die Tochter zum Tod ihrer Mutter befragt, benimmt sich das junge Mädchen seltsam teilnahmlos und verschlossen. Yuhiko ist ungewöhnlich hübsch. Trotz ihrer Jugend, weiß sie genau, was sie will, sie scheint auf eingewisses Ziel hinzuarbeiten.Sie wächst zu einer Schönheit heran und ihre unschuldige Anmut wirken wie ein Magnet auf die Menschen.

Während Yuhiko ihren Ehrgeiz in die Bildung steckt und an ihren gesellschaftlichen Manieren schleift, wird aus Ryo ein gewiefter Geschäftsmann. Der freie Markt und die menschliche Naivität sind ein süßer Cocktail.
Ryo nutzt die Wirtschaftsblase der 80er Jahre in vollem Maße aus, es gibt nichts, wo er seine Finger nicht drin hat: Videospiele, Computerprogramme, Raubkopien, Erpressung, Bankbetrug und Industriespionage.
Ryo ist so erfolgreich, dass die Yakuza auf ihn aufmerksam wird.

Das Verbrechen wurde als ungelöst zu den Akten gelegt, doch Sasagaki beißt sich an dem Fall fest, seit 19 Jahren sammelt er Beweise. eine Intuition wird zur Obsession.
Er observiert das Mord-Umfeld (Freunde, Ehepartner, Verwandte, Kollegen etc), ein von Ryo und Yuhiko raffiniert gesponnenes Netz an Menschen, die nicht wissen, dass sie für deren Belange benutzt werden und wie zufällig aufeinandertreffen.
Als Junzo Sasagaki in Rente ist, engagiert er sogar selbst einen Detektiv, der diesen Auftrag besser nicht angenommen hätte. Es wird gefährlich.

FAZIT:
Die Brotkrumen werden ab der ersten Seite an gestreut, eine Spur, die sich durch eine unglaubliche Geschichte zieht. Der Zenit des Romans, gleicht einer tollkühnen Bergtour, der den Leser, wie ein Sturzbach in einen atemlosen Showdown reißt.
Ein Mordopfer, das kein Opfer ist und in sich die Saat der tiefen  Abgründe menschlicher Seele hegt. Ein leises Grauen, das neu definiert werden muss.
Nichts, was in diesem Buch passiert, bleibt unvergessen, wird plötzlich neu beleuchtet und fließt in den großen See der Erkenntnisse. 700 Seiten pures Karma!

Erwähnenswert ist auch die Einteilung des Buches, es gibt 13 große Kapitel mit ca jeweils 8 Unterkapiteln. (was das Lesen zusätzlich sehr angenehm gestaltet)
Selten wird eine Jahreszahl genannt, aber man kann sich nach erwähnten Ereignissen richten, zB der Jom Kippur-Krieg, die Ölkrise, Filme (Rocky) Musik-Charts, EDV, Games wie Super Mario Bros, Copyright, Pharmapatente..etc.
Nicht detailverliebt, aber damit gespickt. Bei jedem großen Kapitel, sind ein paar Jahre dahin - so vergehen 19 Jahre wie im Flug. Das Buch, welches eine großartige Ausstattung hat, ist ein Pageturner!

Der Roman begeistert nachhaltig, am Ende fällt man in ein tiefes Leseloch.
Jetzt schon für mich der Cold Case-Thriller des Jahres 2018.
Smart und unblutig, ein stilvoller Nervenkitzel.
Die scheinbare Emotionslosigkeit der ostasiatischen Literatur besitzt große Magie.
Diesen Krimi-Noir muss man unbedingt lesen, für diese deliziöse Raffinesse gibt es eine klare Kaufempfehlung.

Keigo Higashino hat einen neuen Fan!  :-)