Rezension

Bilder einer Ausstellung

Das mangelnde Licht -

Das mangelnde Licht
von Nino Haratischwili

Bewertet mit 4 Sternen

Dieses Buch nimmt einen wirklich mit.

In Brüssel findet eine große Retrospektive zum Werk einer Fotografin statt. Dina ist seit 20 Jahren tot, aber ihre Bilder sprechen noch heute von Georgien in allen Facetten, von Armut und Bürgerkrieg, aber auch von Jugend, und Freundschaft in den 90ern. Ihre drei besten Freundinnen treffen dort zum ersten Mal wieder zusammen, seit den Ereignissen damals. Sie sehen diese Bilder, erinnern sich.

Man taucht ein in eine Welt voller Korruption, Gewalt und Patriarchen. Blutige Bandenkriege sind Normalität, Schwestern und Töchter Handelsware, Drogen Währung oder Flucht. Dazu kommen noch echte militärische Konflikte durch russisch-abchasische Querelen. Die Geschichte Georgiens ist bewegt und leidvoll, trotzdem konnte man dort auch schöne Zeiten erleben.

Man lernt hier Georgier kennen als buntes Bild von Individualisten, kunstsinnige Eigenbrötler mit Familiensinn, originelle Menschen, die zusammenhalten.

In tausenderlei Rückblenden erfährt man vom Leben dieser vier Mädchen von damals bis heute, wirklich ausführlich, man braucht schon etwas Geduld. Nach und nach fügen sich die Episoden zu einem Bild zusammen, erzählen von Dramen und viel Liebe, von Grausamkeiten und Freundschaft. Es ist sehr nachvollziehbar, wunderschön erzählt, mit einem leichten Hang zum Blumigen und ganz viel Atmosphäre, man spürt den herrlichsten Sommer, auch wenn über allem tiefste Trauer liegt.

Das Hörbuch dauert 25 Std. und 33 Minuten und hat seine Tücken. Die Sprecherin liest sehr engagiert, ohne zu beachten, dass diese besonders schöne Sprache keine Deko braucht. Diese Sprache wirkt von selbst und wenn man sie deklamiert, wird Poesie zum Pathos. Es hilft, wenn man es etwas schneller abspielt, aber es ist auch ein bisschen schade um den schönen Text.

Dieses Buch ist aufwühlend und poetisch, keine leichte Kost, aber eine eindringliche Reise nach Georgien. Was genau da passiert ist, verstehe ich noch immer nicht ganz. Die Autorin setzt schon einiges an Wissen voraus, aber man bekommt einen plastischen Eindruck. Vielleicht ist es auch ein Buch zum zweimal lesen, vielleicht sogar ganz bestimmt.