Rezension

Bildgewaltig, humorvoll und absolut großartig ...

Narren und Sterbliche - Bernard Cornwell

Narren und Sterbliche
von Bernard Cornwell

Bewertet mit 5 Sternen

Das Leben in London als Bühnendarsteller ist nicht leicht, erst recht nicht im Jahre 1595 und unter der Fuchtel des eigenen Bruders. Richard Shakespeare ist verbannt, immer die Frauen in den Stücken zu spielen und sehnt sich doch so sehr nach einer Männerrolle. Dann herrscht auch noch ein kalter Winter vor und die Spielsaison ist erst mal auf Eis gelegt und die Münzen in den Taschen wachsen nicht nach. Wie gut, das man ein Stück für eine Hochzeit wenigstens proben kann und das im warmen. So macht sich die Gruppe mit dem neusten Stück aus der Feder von William Shakespeare bekannt und lässt so manchen Darsteller verzweifeln. Da London gerade im Theaterfieber schwelgt und die Konkurrenz nicht schläft, ist sogar das Stück in Gefahr. Wer hat da böse Absichten? Wem muss sich die Theatergruppe entgegenstellen? Wird Richard seine Männerrolle bekommen? Und kann er seinen Bruder endlich von sich überzeugen?

Ich lese viel zu selten historische Romane, da diese oft schwer und langatmig sind, dass dies nicht bei allen zutrifft, hat mir wiedermal Bernard Cornwell gezeigt. Für mich war es nicht das erste Buch von ihm, denn er konnte mich schon von seinem Krieger Uhtred überzeugen. Aber als ich gesehen hatte, dass es um Shakespeare geht und dann auch noch um das Stück „Der Sommernachtstraum“ bin ich förmlich erblüht vor Freude. Ob ich diese Freude auch mit dem Buch hatte, erzähle ich euch nun.

Als Erstes stelle ich euch den armen Tropf Richard Shakespeare vor. Ich muss gestehen, dass ich nicht unbedingt mit ihm als Hauptfigur gerechnet hatte, ja es steht im Klappentext, aber so richtig begriffen habe ich es erst beim Beginn des Buches. Aber ehrlich, ich finde, das ist ein gut gewählter Schachzug und lässt viel Spiel für Fantasie und Fiktion. Richard ist ein armer Kerl, der Familie Last, in eine Lehre gegeben, die nach hinten losging, dann ist er nach London zu seinem Bruder getürmt, der ihn aber auch eher abgeschoben hat, als gekümmert. So ist er in Zwielichtigen Gesellschaft groß geworden und hat das Theaterhandwerk gelernt. Nun fristet er sein Dasein in der Gruppe seines Bruders und muss die älteren Damen spielen. Mit ziemlichem Frust und keiner Anerkennung schmollt er vor sich hin und hat Angst vor der Zukunft. Aber Richard ist nicht Richard, wenn er nicht doch irgendwie ins Fettnäpfchen treten kann. Ich mach es kurz, ich liebe diesen jungen Mann. Richard ist ein unglaublicher Held, arm wie eine Kirchenmaus, aber immer bedacht zu leben. Er nimmt seine Umwelt gut wahr und hat eine tolle Auffassungsgabe. Vom Bruder als Dieb gehalten, ist er doch eher der liebe Gutmütige, mit dem gewissen Schalk in den Augen und ihn zu begleiten war ein absoluter Genuss.

Bernard Cornwell erschafft nicht nur das London zu der Zeit vom Shakespeare, nein, er lässt auch so richtig das Theaterherz aufblühen. Wir erleben die Zeit hautnah mit und stehen mit auf den Brettern, die die Welt bedeuten. Was für ein farbiger und atmosphärischer Wirbel aus Theaterstücken und Lebensbewältigung. Es ist so aufregend gewesen, zu einem Richard kennenzulernen, der sich mit Zukunftssorgen rumplagt und um Anerkennung kämpft. Aber auch zu sehen, wie solch eine Theatergruppe aufgestellt ist, wie schwierig die Zeiten sind und wie wichtig es ist, einen Schreiberling in einer Gruppe zu haben. So ist man, hautnah dran, wie Shakespeare seine Stücke schreibt und wie er sie zum Leben erweckt. Und genau wie seine Stücke ist dieses Buch mit Abenteuer, Eifersucht, Liebe, Verrat und großen Heldenmut ausgestattet.

Die ganz große Stärke ist einfach von Bernard Cornwell, wie er die Geschichten erzählt und lebendig werden lässt. Man ist sofort drin, erlebt Sensationelles und kann nicht aufhören diese Figuren zu lieben und ihren Weg mitzubeschreiten. Man merkt gar nicht, dass man einen historischen Roman liest, obwohl alles darin alt und verstaubt ist, liest man es lebendig und äußerst verzückt. Die Beziehung der Brüder ist verzwickt und der Kampf um einen Platz im Leben nicht einfach. Da haben wir das Genie William, der sich in hohen Kreisen bewegen kann und der für sein Theater lebt, anstatt bei der Familie auf dem Land zu sein. Dagegen den jungen Bruder, der seinen Platz haben möchte, aber dem die Vergangenheit immer wieder einzuholen scheint. Es ist ein herrliches Gespann und die Entwicklung der beiden genial eingeflochten. Aber nicht nur das Leben von Richard ist hier ein Punkt, nein, auch die Stücke von Shakespeare. Diese Geschichte ist ein Theaterstück von ganz besonderer Güte.

Narren und Sterbliche ist eine Hommage an Shakespeare und seine Stücke und ich hebe den Hut vor diesem wunderbaren, atmosphärischen, turbulenten, humorvollen, farbenfrohen und liebevollen Roman. Chapeau Bernard Cornwell, ich bin immer noch ganz verzückt.