Rezension

Bildgewaltiger historischer Roman, der ein faszinierendes und düsteres Bild der Tudor-Epoche zeichnet.

Im Schatten der Königin - Elizabeth Fremantle

Im Schatten der Königin
von Elizabeth Fremantle

Bewertet mit 5 Sternen

Als mir das Buch „Im Schatten der Königin“ empfohlen wurde, ist in mir sofort der Wunsch entfacht, meinem ehemaligen Lieblings-Genre mal wieder einen Besuch abzustatten. In der Vergangenheit hatte ich schon viele Romane über die Tudor-Zeit verschlungen, doch die Autorin Elizabeth Fremantle war mir bisher nicht bekannt. Schon nach ein paar Seiten hat mich die Geschichte gefesselt. Elizabeth Fremantle ist es gelungen, ein Stück Geschichte zum Leben zu erwecken und ein faszinierendes Portrait der damaligen Zeit zu zeichnen.

Als Edward VI im Jahr 1554 überraschend stirbt, bestimmt er die 17-jährige Jane Grey zur Königin. Doch nach weniger als zwei Wochen auf dem Thron wird Jane von Mary, der Halbschwester des verstorbenen Königs, entmachtet. Die Geschichte spielt zu einer Zeit, in der es in Mode war, Menschen enthaupten zu lassen oder auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen. Auch der jungen Jane droht dieses Schicksal, da sie ihrem Glauben nicht abschwören will und Mary Tudor keine Gnade walten lässt. Nach Janes Tod geraten ihre zwei kleinen Schwestern in tödliche Gefahr, denn in ihren Adern fließt ebenfalls königliches Blut. Allein ihre Existenz bedroht den Thron von Königin Mary.

Der Einstieg in das Buch ist mir durch den bildgewaltigen Sprachstil von Elizabeth Fremantle sehr leicht gefallen. Beim Lesen entstehen direkt Bilder im Kopf und hauchen der Geschichte Leben ein. Man hat alles sofort vor den Augen: Die Protagonisten, das höfische Leben und die Kleidung der damaligen Zeit. Die Autorin beschreibt alles so detailliert, dass sie tatsächlich ein Stück Geschichte lebendig erscheinen lässt. Der Dreh- und Angelpunkt des Buches sind zwei Schwesternpaare. Zum einen Mary Tudor, die Tochter von Katharina von Aragon und König Heinrichs VIII, und zum anderen Elizabeth Tudor, Tochter von Anne Boleyn und König Heinrichs VIII. Diese beiden Halbschwestern beherrschen das Schicksal der Geschwister Katherine Grey und Mary Grey. Nachdem Mary Tudor die junge Königin Jane Grey vom Thron stürzte und hinrichten ließ, leben die Schwestern Mary und Katherine Grey in ständiger Angst. Denn sollten sie den Thron von Mary Tudor bedrohen, würde ihnen das gleiche Schicksal blühen wie Jane. Im Gegensatz zu Katherine kann Mary Grey ein relativ angstfreies Leben führen, denn sie ist klein und missgestaltet. Zwar lebt sie unter ständigem Hohn, Missachtung und Spott, doch keiner würde ein krüppeliges Mädchen wie sie auf den Thron setzen. Katherine hingegen ist jung und schön. Im Gegensatz zu ihrer Schwester ist sie nicht sonderlich vernünftig und lässt sich von ihrem Temperament und ihrem Herz leiten, wodurch sie häufig in Schwierigkeiten gerät. Das junge, lebenslustige Mädchen hat keinerlei Interesse am Thron, doch immer mehr Menschen wollen Mary Todor stürzen und sehen in Katherine eine Alternative. Unter der Herrschaft von Mary werden die Menschen zum Katholismus gezwungen und Ketzer gnadenlos verfolgt und verbrannt. In wenigen Jahren verbrennen fast zweihundertfünfzig Menschen als Ketzer auf dem Scheiterhaufen. Dieser blutige Fanatismus brachte Mary in der Geschichtsschreibung den Namen „Bloody Mary (die Blutige) ein. Als schließlich Marys Halbschwester Elizabeth den Thron besteigt, können Mary und Katherine Grey für kurze Zeit aufatmen. Doch auch diese Herrschaft hat ihre Schattenseiten. Die Grey-Schwestern müssen erkennen, dass sie nichts weiter als Spielbälle der Monarchie sind. Niemals wird es ihnen möglich sein, ein eigenbestimmtes Leben zu führen, nur weil in ihren Adern königliches Blut fließt. Die Geschichte wird abwechselnd aus der Perspektive von Mary und Katherine Grey erzählt, wodurch man einen tiefen Einblick in deren Leben bekommt. Zwischenzeitlich erhält der Leser einen weiteren Blickwinkel auf die Handlung durch die Schilderung aus Sicht von Levina Teerlinc. Sie ist mit der Mutter der Grey-Schwestern befreundet und versucht Mary und Katherine zu beschützen, wann immer es ihr möglich ist. Ihre Loyalität für die Familie Grey steht für sie an erster Stelle, noch vor ihrer eigenen Familie. Levina arbeitet als Porträtmalerin und lernt durch ihren Beruf viele Menschen kennen. Dementsprechend kommt ihr auch viel zu Ohren, was sie zu ihrem Vorteil nutzen kann.

Elizabeth Fremantle zeichnet durch ihren bildgewaltigen Sprachstil ein fulminantes Bild der Tudor-Zeit. Dabei gelingt es ihr perfekt, den Leser in der englischen Tudor-Epoche im Leben am Hofe mitsamt seinen Intrigen versinken zu lassen. Die Atmosphäre des Buches ist düster, voller Angst und wenig Licht am Horizont. Der Leser bekommt ein bedrückendes Gefühl für die Rolle der Frauen zur damaligen Zeit. Selbst königliches Blut schützte nicht davor, wie ein Bauer auf dem Schachbrett hin – und hergeschoben zu werden. Wenn es der Königin diente, konnte ein Bauer, egal von welchem Geblüt, auch schnell entsorgt werden. Die Handlung wird durch die Vielzahl an Charakteren mit ihren verschiedenen Zielen und Motiven besonders einprägsam. Die mannigfaltigen Protagonisten wurden hervorragend und facettenreich ausgearbeitet. Überlieferung und Fiktion ergeben zusammen ein authentisches und einprägendes Bild aller Charaktere. Insgesamt sind Schreibstil, Story und Charaktere sind einfach vollkommen stimmig. Ich bin absolut begeistert und kann "Im Schatten der Königin" allen Lesern empfehlen, die gerne in historischen Romanen versinken, die nahe an der Realität gehalten werden.

Fazit: "Im Schatten der Königin" von Elizabeth Fremantle ist ein bildgewaltiger historischer Roman, der ein faszinierendes und düsteres Bild der Tudor-Epoche zeichnet. Das turbulente Leben der Grey-Schwestern zieht den Leser vollkommen in seinen Bann. Authentisch und realitätsnah erweckt Elizabeth Fremantle ein Stück Geschichte zum Leben. Schreibstil, Story und Charaktere sind vollkommen stimmig und ergeben ein fesselndes Portrait der damaligen Zeit.