Rezension

Bildung für Frauen - ein langer und harter Weg

Unter den Linden 6 - Ann-Sophie Kaiser

Unter den Linden 6
von Ann-Sophie Kaiser

Bewertet mit 5 Sternen

Ich bin mit ziemich hohen Erwartungen in dieses Buch gestartet(ich habe im letzten Jahr sehr viel über Lise Meitner gelesen und war sehr gespannt, was in diesem Buch daraus gemacht wurde) und diese wurden letztlich auch nicht enttäuscht. Auch wenn eine der Hauptfiguren an die berühmte Physikerin Lise Meitner angelehnt ist, so ist es doch insgesamt ein unterhaltender Roman, der lediglich einen Teil ihrer Lebensgeschichte erzählt. Die Autorin hat auch ihren anderen Figuren genügend Platz für deren Entwicklung eingeräumt. Und das ist Ann-Sophie Kaiser für meinen Geschmack toll gelungen. Sie verbindet die real existierenden historischen Personen wirklich gut mit den frei erfundenen Teilen ihrer Geschichte zu einem tollem Gesamtbild.

Das zentrale Thema sind die Frauenbewegung und die ersten weiblichen Studenten in Berlin. Welch ein Aufschrei in der Männerwelt! Frauen, die jetzt auch noch studieren wollen!
Die Schwierigkeiten, einen solchen Platz überhaupt zu erhalten und auch all die Vorurteile und Gehässigkeiten, die den Frauen entgegen geworfen werden hat sie anschaulich beschrieben, genauso wie das gesellschaftliche Leben im Rest Berlins und deren verschiedenen sozialen Schichten. Besonders gut gefallen hat mir hier, dass die Autorin sogar die unterschiedlichen Ansichten innerhalb der Frauenbewegung einbezogen hat. Gemäßigt gegen radikal - die einen, die Schritt für Schritt ihr Ziel erreichen wollen; die anderen, die sogar vor Gewalttaten nicht zurückschrecken.

Die drei Hauptfiguren und ihre erzählten Lebensgeschichten gefallen mir sehr gut. So unterschiedlich sie und ihre jeweilige Herkunft auch sind, vereint sie neben ihrer Freundschaft auch der Wille nach "mehr". So will sich Hedwig nicht einfach nur mit der Rolle als Ehefrau zufrieden geben; die neugierige Anni strebt nach fernen Geschichten durch die heimlich gelesenen Bücher und Lise kämpft darum als vollwertige Wissenschaftlicherin anerkannt zu werden. Und doch schleicht sich irgendwann die Frage ein - reicht das? Muss es nur ein Entweder / Oder geben? Geht nicht auch beides - Bildung/Beruf und Liebe?

Am Ende kommt jeder der drei Frauen zu ihrer ganz persönlichen Einsicht, wie sie ihr weiteres Leben gestalten will. Und es hat mir sehr viel Spaß gemacht, ihnen bei ihrer Entwicklung und ihrem eigenen Weg der Emanzipation zu folgen. Ich habe mich über bocksture Männer geärgert und mich über jeden noch so kleinen Erfolg der Frauen mit ihnen gefreut. Für mich macht das ein gutes Buch aus.