Rezension

Bildung versetzt Berge

Befreit - Tara Westover

Befreit
von Tara Westover

Bewertet mit 5 Sternen

Der Roman "Befreit" ist das Debüt der amerikanischen Autorin Tara Westover. Die deutsche Übersetzung von Eike Schönfeld erscheint 2018 im Kiepenheuer & Witsch Verlag. Idaho: Tara Westover betritt zum ersten Mal mit 17 Jahren eine Schulklasse. Trotzdem schafft sie bereits zehn Jahre später einem akademischen Abschluss. In den abgelegenen Bergen Idahos wuchs Tara unter ärmlichen und veralteten religiösen Vorstellungen auf. Ihr Leben in der wilden Natur wurde geprägt von den Jahreszeiten und den Gesetzen, die der gewalttätige und paranoide Vater aufstellte. Bildung gehört nicht zu seinen Vorstellungen vom Leben eines Mädchens. Nicht einmal Geburtsurkunden haben seine Kinder. Seine fundamentalistischen Ansichten als Mormone lassen ihn an das baldige Ende der Welt glauben. Dem Staat misstraut er, glaubt sogar, verfolgt zu werden. Wenn es Krankheiten gibt, wird kein Arzt gerufen, dabei geschehen häufig Unfälle, wenn die Kinder auf dem Schrottplatz des Vaters helfen müssen. Taras Mutter ist mit Heilkräutern vertraut, sie ist die einzige Hebamme in der Gegend. Irgendwann wächst in Tara der Wunsch nach Bildung und sie bereitet sich für das College vor. Wie kann sie das schaffen, wo sie doch bei null anfangen muss?

Der Roman teilt sich in drei Teile. Er beginnt mit Taras Kindheit, die sie mit ihrer mormonischen Familie unter einfachsten Bedingungen ohne Schule oder Arzt in den Bergen Idahos verlebt. Tara fühlt sich wohl hier, sie kennt es nicht anders und fügt sich den Anweisungen ihres Vaters. Im zweiten Teil geht es um ihre Zeit am College. Sie erkennt die Außenwelt, nabelt sich von ihrer Familie ab und erreicht ein Auslandssemester im Cambridge. Im dritten Teil erfahren wir von ihrem Stipendium, dass sie als Cambridge Absolventin für ein Studiensemester nach Paris und Harvard führt. In dieser Zeit findet der endgültige Bruch mit der Familie statt, ihr Preis für ihre Promotion und ein freies Leben.

Die Familie Taras lebt nicht wie die anderen in der Mormonengemeinde, es wird deutlich, dass der Vater die Gemeinschaft der Mormonen wegen einer psychischen Störung verlassen hat und seine verrückten Ideen zu Lasten seiner Familie umsetzen will. Keine Schulbildung, keine Gesundheitsfürsorge und

Tara sucht nach Liebe, die sie in ihrer Familie nicht erhält. Auf die Mutter war kein Verlass, sie stellte ihre Verbundenheit zum tyrannischen Vater vor ihre Mutterliebe. War es Angst oder ebenfalls religiöser Fanatismus, weil in mormonischen Familien die Männer das Sagen haben? Ich kann es nicht sagen, ihre Rolle in dieser Geschichte ist keine sympathische. Sie ist keine Hilfe für ihre Tochter. Doch einige Figuren konnten Tara auf ihrem Weg unterstützen, ihr Bruder Tyler half, wo er konnte. Und ihre Professorin Dr. Kerry förderte Tara, denn sie erkannte das in ihr schlummernde hohe Bildungspotential.

Dieser Roman ist fast wie eine Lebensbeichte, das dramatisch erzählte Leben eines Mädchens aus den Bergen, die von sich aus die Kraft besitzt, sich von ihrer Familie zu lösen und damit für ein freies, gebildetes Leben zu entscheiden. Woher nahm Tara diese Kraft? Wenn man das Buch liest, kann man die Frage nicht beantworten, aber man kann erkennen, das hier etwas wunderbares stattgefunden haben muss. "Bildung versetzt Berge". Vielleicht hat dieser Spruch auch hier seine Bedeutung.

Mich hat dieser authentische Lebensbericht ziemlich schockiert, es gibt aber auch andere Szenen, die die wunderschöne Natur beschreiben. Es ist fast ein Wunder, wie dieses Mädchen die Kraft besessen hat, sich aus der despotischen Herrschaft des Vaters zu befreien und den Weg ins Leben ohne ihre Familie zu wagen. Dieser Roman über Taras Lebensgeschichte verdient absolute Leseempfehlung.