Rezension

Birthmarked - ich hab's inhaliert

Die Stadt der verschwundenen Kinder - Caragh M. O'Brien

Die Stadt der verschwundenen Kinder
von Caragh M. O'Brien

Stell dir vor, du trägst seit neun Monaten ein Kind unter deinem Herzen. Endlich setzen die Wehen ein, die Fruchtblase platzt und die Hebamme deines Vertrauens ist an deiner Seite. Nach stundenlanger Schmerzen bringst du einen gesunden Sohn zur Welt. Deinen Ersten, dein ganzer Stolz. Alles scheint perfekt. Schließlich reicht dir die Hebamme einen Tee, der die Schmerzen lindern soll und verschwindet im nächsten Moment mit deinem Neugeborenen aus der Tür. Du bist dagegen machtlos – denn das Gesetz verlangt es so.

Jeden Monat müssen die ersten drei Neugeborenen jeder Hebamme an der dicken Mauer zur verbotenen Stadt abgegeben werden. Eine dieser Hebammen ist Gaia Stone, die stets der Enklave diente und ihre Gesetze niemals in Frage stellte. Schließlich sorgt eben diese Gesellschaft regelmäßig für die dringend benötigten Wasser-, Nahrungs- und Kleidungsrationen. Den vorgebrachten Kindern fehlt es dagegen an nichts: Sie genießen Bildung, reichlich Nahrung und ein sicheres Leben. Doch plötzlich werden Gaias Eltern verhaftet und als sie auch nach Wochen nicht zurückkehren, begibt sie sich auf eine gefährliche Reise in die Enklave.

Zugegeben: Meistens empfinde ich Klappentexte als irreführend oder nichtssagend. Ganz anders ging es mir bei der »Die Stadt der verschwundenen Kinder«. Auf dem Rücken findet man bloß ein paar kurze Sätze, die in mir ungeheure Lust auf dieses Buch geweckt haben. Diese wenigsten Worte haben mir nicht zu viel versprochen – im Gegenteil: Ich war überrascht, welche Fülle an Handlung ich zu lesen bekam. So sollte es öfter sein, denn kaum etwas ist schon schlimmer, als enttäuscht zu werden.

Trotz der 464 Seiten habe ich das Buch in nur zwei Tagen gerade zu aufgesaugt. Schon nach dem ersten Kapitel wollte ich unbedingt erfahren, warum die Kinder abgegeben werden müssen und was hinter den Mauern zur Enklave vor sich geht. Caragh O`Brien hat eine absolut fesselnde Geschichte geschrieben und als ich während des Lesens erfahren habe, dass »Die Stadt der verschwundenen Kinder« der Auftakt einer Trilogie ist, war ich wirklich froh um diesen Fakt, denn ich möchte unbedingt mehr von Gaia und ihrem Leben erfahren.

Mittlerweile sind viele von Trilogien genervt (ich persönliche klammere mich da mal aus), dennoch möchte ich auch diesen Lesern das Buch ans Herz legen. Die Autorin hat auf Cliffhanger verzichtet und ein in sich geschlossenes Ende geschrieben. Die weitere Handlung wird zwar angedeutet, aber mit dem Schluss kann man sich durchaus zufrieden geben. Wenn man mich nicht während des Lesens mit der Nase auf die Fortsetzung gestoßen hätte, hätte ich wahrscheinlich auch keine vermutet. Umso glücklicher bin ich über die Tatsache, das es eine geben wird, auch wenn es bis dahin noch etwas dauern wird.

Die Schreibe von Caragh O`Brien ist wie für Jugendbücher üblich recht einfach gehalten, aber sehr angenehm zu lesen. Sie beschreibt nur das Wichtigste und treibt stattdessen die Geschichte voran. Es gibt ein paar Absätze, die ich zunächst für unnötig hielt, die sich aber im späteren Verlauf doch als wichtig erwiesen haben. Außerdem hatte ich nicht das Gefühl, dass mir die gesellschaftlichen Zusammenhänge gezwungen erklärt wurden. Viel mehr versteht man sie nach und nach durch die Handlung. Das ist der Autorin außerordentlich gut gelungen.

Nach dem Lesen fand ich es wirklich schade, dass es keine gelungene Übersetzung für das Wort(spiel) »Birthmarked«, dem Orignaltitel, gibt. Dieser ist sehr passend und hätte meiner Meinung nach bei beihalten werden sollen. Warum das so gut zum Inhalt passt, müsst ihr natürlich selbst herausfinden.

Auf Twitter hat jemand bemängelt, dass das Buch kein Lesebändchen hat, aber das braucht es auch gar nicht. Wem das Buch gefällt, der wird es aufsaugen. Daher mein Tipp: Einfach mal das erste Kapitel in der Buchhandlung lesen oder alternativ auf die Leseprobe zurückgreifen. Wem das Gelesene zusagt, wird einen Kauf garantiert nicht bereuen. Von mir gibt es fünf Sterne.