Rezension

Bis an die Grenze des Erträglichen

Knockemstiff - Donald Ray Pollock

Knockemstiff
von Donald Ray Pollock

~~Knockemstiff ist ein Kaff im südlichen Ohio und liegt irgendwo im Nirgendwo. Bereits die Erklärung, die Donald Ray Pollock zur Herkunft des Namens gibt, vermittelt eine Ahnung, wie die Menschen dort miteinander umgehen: Ein Wanderpriester kommt eines Tages dazu, wie sich zwei Frauen wegen eines Mannes schlagen. Der Priester bezweifelt, dass dieser Mann die ganze Aufregung wert ist und kommentiert das geschehen mit dem Satz "Someone should knock him stiff" – soweit die Überlieferung, gesichert ist diese Geschichte nicht.

 Laut Wikipedia ist Knockemstiff heute fast eine Geisterstadt, wobei nach der Lektüre des gleichnamigen Buches vielleicht doch der eine oder andere Leser neugierig geworden ist und sich dorthin verirrt.

 In diesem abgelegen Ort wächst der amerikanische Autor Donald Ray Pollock auf, der im deutschsprachigen Raum 2012 durch seinen sprachgewaltigen Roman "Das Handwerk des Teufels" bekannt wurde, der verdientermaßen mit zahlreichen europäischen Preisen ausgezeichnet wurde.

 "Knockemstiff" nun ist der der Titel seiner ersten Veröffentlichung überhaupt, erstmals 2008 im Original erschienen, ein Band mit einzelnen Geschichten, die aber miteinander durch ihre Protagonisten verwoben sind und die sich in und um diesen Ort abspielen.

 Die Menschen, die dort leben oder hängengeblieben sind, scheinen allesamt Verlierer zu sein, deren Leben mit dem amerikanischen Traum nicht das Geringste zu tun hat. Alkohol- und Drogenmissbrauch ist die Regel und nicht die Ausnahme. Ihr Leben ist ein einziges Elend, geprägt von Brutalität, ohne Perspektive, ohne Hoffnung und vor allem ohne Liebe. Dieser raue Umgang wird bereits den Kindern von klein auf vermittelt. Mütter werden beschimpft und halb tot geschlagen, wenn sie es wagen, sich schützend vor ihre Söhne zu stellen, deren Vätern sie mit roher Gewalt zu richtigen Männern ‚erziehen‘ wollen. Manch eine/r hat und lebt noch die Illusion, aus diesem Loch herauszukommen und ihrem/seinem Leben die entscheidende Wendung zu geben. Vielleicht gelingt es, aber ich habe so meine Zweifel.

 Was die Ozarks für Daniel Woodrell, ist Knockemstiff für Donald Ray Pollock – beide Autoren beschreiben ähnliche Menschen, Zustände und Ereignisse auf der Schattenseite Amerikas und verlangen ihren Lesern einiges ab.Dabei sind ihre drastischen Schilderungen oft kaum auszuhalten und gehen bis an die Grenze des Erträglichen. Nein, das ist keine "schöne Literatur", dafür aber höchst beeindruckend und den Leser im Innersten berührend – und ein klarer Favorit für mein Buch des Jahres!