Rezension

bisheriges Jahreshighlight

The Map of Salt and Stars - Zeyn Joukhadar

The Map of Salt and Stars
von Zeyn Joukhadar

Bewertet mit 4.5 Sternen

Worum es geht:

2011: Die Insel Manhattan ist voller Löcher, und in einem davon schläft Baba. So der erste Satz. Nach dem Tod ihres Vaters, entschliesst sich Nours Mutter zurück nach Syrien zu gehen. Nour hat ihr Zuhause nie zuvor kennengelernt. Das neue Zuhause hält nur für kurze Zeit, denn das Syrien ihrer Mutter existiert nicht mehr, nun gibt es nur noch Krieg. Die Familie entschliesst sich nach Spanien zu flüchten. Während der Reise erinnert sich Nour an eine Geschichte die ihr Baba immer erzählt hat. Die Legende von Rawiya, eine junge Abenteuerin, die im 12 Jahrhundert die gleiche Route bereiste wie Nour. Die Schülerin des berühmten Kartografen Al-Idrisi inspiriert Nour nicht die Hoffnung aufzugeben und sich zuversichtlich der unbekannten Zukunft zu stellen. 

"Dieses wichtige Buch ist eine Liebeserklärung an die, die verschwunden sind - und an das, was bleibt.« - Hala Alyan

Meine Meinung: 

Einwanderung mal andersherum. Die Thematik der Syrier die nach Jahren im Ausland wieder heimkehren, in ein Land, dass sie so nicht kennen, hatte ich vorher noch nicht gesehen. Das Syrien von Nour's Eltern besteht nicht mehr. Was ist dein Zuhause wenn es wortwörtlich nicht mehr existiert. Nour wird aus ihrem Leben in New York herausgerissen nachdem ihr Vater stirbt, um in Homs zu immigrieren. Doch kaum angekommen, verliert die Familie durch Krieg und Bomben ihre letzte Zuflucht. In Nours kindlichen Fragen nach Herkunft und "wer bin ich ohne Zuhause?" lernt der Leser mit ihr zusammen, dass Zuhause in einem drin ist, wenn auch nicht mehr auf einer Landkarte, und in anderen Menschen.

"Ständig verändert sich alles. Immer wieder müssen wir die Karten korrigieren, die Umrisse unserer selbst immer wider aufs Neue zeichnen."

Jedes Kapitel beginnt mit der Fabel der Kriegerin Rawiya, eine Geschichte die ihr Vater ihr immer erzählt hat. Eine Erinnerung an ihn, aber ihr auch Stütze wenn sie den Mut verliert. Während ihrer Flucht ist es Rawiya Geschichte die Nour hilft stark zu sein. Die Handlungsstränge passen in soweit auch gut zusammen, dass beide Figuren den gleichen Weg beschreiten. Es verleiht dem ganzen Buch außerdem einen magischen Touch. 
Da ich nie in den Situationen war, in denen Nour sich wiederfindet, kann ich nicht sagen wie realistisch es sich abspielt. Dennoch empfand ich vor allem das letzte Drittel als ein bisschen zuviel. Es gab 1, 2 Situationen die für mich dann leider so "Over the top" waren, dass es meine Freude über das Buch geschmälert hat. Denn bis dahin war es ein Highlight! 
Mir besonders gut gefallen, von der ersten Seite an, hat der Stil. Joukhadar schreibt in vielen, für mich verständlichen Metaphern, die halfen tolle Bilder zu erzeugen. Ich mag mich in ein paar Jahren nicht mehr an Nour's Namen erinnern, aber an die salz-verkrustete Wohnung in New York. Vielerorts wird die blumige Sprache kritisiert, es kann bisschen überwältigen bei fast 500 Seiten. Mir half es in diese fast magische Geschichte einzutauchen. 

">Du darfst eines nicht vergessen<, sagt er, und Abu Said sieht hoch, während er - ein wenig zögerlich - übersetzt. >Geschichten lindern den Schmerz des Lebens, nicht den des Sterbens. Die Leute denken immer, das Sterben schmerzt. Aber das stimmt nicht. Es ist das Leben, das Schmerzen bereitet.<"

"Die Karte der zerbrochenen Träume" ist bisher, trotz kleinerer Mankos, eines der besten Bücher, die 2019 gelesen habe. Die Grundhandlung sehr abenteuerlich und furchtbar, wenn man daran denkt, dass es Menschen gibt, die wirklich da durch mussten. Gegen Ende hin, flachte es ein wenig ab, dennoch schaffte es Joukhadar mich zu Tränen zu rühren, frustriert zu sein, ängstlich weiter zu lesen ob Nour es vom Schiff schafft, aus der Wüste, aus dem Lieferwagen. Abenteuer und Herzbuch zugleich. Grosse Empfehlung. 
"Vielleicht geht die Geschichte einfach immer weiter. Die Zeit ist wie eine ewig atmende Lunge. Auf den Strassen, wohin sie auch führen, kommt und geht das Leid. Doch Generationen von Menschen, mögen sie gut oder böse sein, werden unter dem Sternenhimmel weiterexistieren."