Rezension

bissig, schräg und dabei von erstaunlicher Tiefe

Walter muss weg - Thomas Raab

Walter muss weg
von Thomas Raab

Bewertet mit 4.5 Sternen

Von diesem Autor wollte ich schon immer mal ein Buch lesen, werden sie doch als besonders schwarzhumorig charakterisiert, was mich stets neugierig macht.

Der Stil hat mir von Anfang gefallen, trotzdem habe ich eine gewisse Zeit gebraucht, bis ich so richtig warm geworden bin mit dieser eigenwilligen Geschichte und ihren ebenso eigenwilligen Figuren. Es war nicht immer einfach zu lesen, nix nur so für nebenbei *g*. Ich musste mich konzentrieren, weil so vieles zwischen den Zeilen mitschwingt und der Autor immer wieder auf geniale, für mein Empfinden durchaus anspruchsvolle Weise mit Sprache, Worten und Satzbau jongliert.

Vordergründig wirkt es erst mal schräg und ein bisschen verworren. Doch wenn man sich darauf einlassen kann, offenbart dieses Buch mit der Zeit eine erstaunliche Komplexität und Tiefe hinsichtlich der Menschen und ihrer Beziehungen untereinander. Kaum etwas und kaum einer ist am Ende tatsächlich so, wie es zu Beginn den Anschein hatte. Die Aufklärung der skurrilen, teilweise in Slapstickmanier geschilderten Ereignisse hat mich überrascht.

Ja, es gibt Leichen und kriminelle Verstrickungen, dennoch würde ich dieses Buch nicht als Krimi einordnen, selbst wenn der Untertitel lautet „Frau Huber ermittelt, der erste Fall“. Das nehme ich jetzt mal für Ironie. Tragikomödie trifft es für mich vielleicht am ehesten. Aberwitzige und lustige Szenen wechseln mit schmerzlichen Einblicken in menschliches Unglück und verletzte Seelen. Auch wird so manche bittere Wahrheit aus- und gesellschaftliche Ungerechtigkeit angesprochen.

Tatsächlich steht auf dem Cover einfach nur „Roman“, warum wird er als Krimi beworben?

Eine ganze Reihe unterschiedlichster Charaktere bevölkern und beleben diese Geschichte, für mich manchmal nicht ganz leicht auseinanderzuhalten. Obwohl es sich bei Glaubenthal um einen überschaubaren Schauplatz handelt, gibt es nicht nur eigenwillige Dörfler, sondern ein ziemlich breites Spektrum quer durch die Gesellschaft. Das macht die Sache interessant, zumal es so gut wie kein schwarz-weiß gibt, sondern alle Schattierungen von grau. Ganz besonders und tatsächlich ausschließlich liebenswert waren für mich die kleine Amelie und ihre Mama.