Rezension

Bissige, komische und tragische Familiengeschichte

Der Zopf meiner Großmutter - Alina Bronsky

Der Zopf meiner Großmutter
von Alina Bronsky

Bewertet mit 4 Sternen

          Alina Bronsky ist 1978 in Russland geboren und lebt seit Anfang der 1990er Jahre in Deutschland. In ihren Romanen thematisiert sie oft ihre Herkunft, so auch in "Der Zopf meiner Großmutter".

Tschingis und Margo, beide Anfang 50, sind mit ihrem Enkel Maxim als jüdische Kontingentflüchtlinge von Russland nach Deutschland gekommen und leben nun in einem Wohnheim. Oma Margo war früher eine Tänzerin, ihr langer roter Zopf erinnert an diese Zeit. Sie ist ein zutiefst unglücklicher, misstrauischer Mensch und lässt ihren Frust mit bösartigen Bemerkungen an ihrer Umgebung aus. Am meisten leiden unter ihr der stille Tschingis, der sich redlich bemüht, die Familie zu ernähren und Maxim, den sie wahnhaft für todkrank und geistig zurückgeblieben hält und auch so behandelt. Die beiden ertragen Margo mit einer stoischen Gelassenheit und - man kann es kaum glauben - sie lieben sie, denn sie wissen um ihr gutes Herz.

Als die junge Russin Nina mit ihrer Tochter Vera in das Flüchtlingsheim einzieht, geschieht etwas Unvorhersehbares: Tschingis verliebt sich in sie.

Wird die Familie daran zerbrechen?
Und wo sind eigentlich Maxims Eltern?

Maxim ist weder krank noch dumm, er ist der Ich-Erzähler dieser Geschichte, erst als Sechsjähriger, später als Teenager. Dadurch erscheinen die grotesken  Rituale, mit denen die Oma den Jungen drangsaliert, eher komisch als erschütternd. Er vermittelt zwischen Margo und dem Rest der Welt, und er weiß sich zu helfen, um ihrer absoluten Kontrolle zu entgehen.

Alina Bronsky schreibt in einem rasanten, sprachgewandten Stil, der mir gut gefallen hat. In den ersten zwei Dritteln des Buches geht es ausführlich um den Alltag der Familie. Im letzten Drittel wird es dann richtig spannend, hier lässt die Autorin leider einiges aus und kommt für mein Gefühl zu hastig zum Ende.

Über die absurden Einfälle der Oma und die schlagfertigen Dialoge habe ich mich köstlich amüsiert. Zwischendurch hat die Geschichte auch traurige Passagen, so dass sie insgesamt eine gelungene Mischung aus Komödie und Tragödie ist.