Rezension

bist Du bereit für ein Leben ohne Leben?

Orphan X - Gregg Hurwitz

Orphan X
von Gregg Hurwitz

Bewertet mit 4 Sternen

Inhalt:
"1. Gebot: Keine voreiligen Schlüsse 
Seine Nachbarn halten Evan Smoak für einen harmlosen Verkäufer von Industriereinigern. Dabei ist er eine der tödlichsten und geheimsten Waffen der US-Regierung: ein Absolvent des Orphan-Programms, in dem Waisenkinder zu hocheffizienten Killern ausgebildet wurden. 
4. Gebot: Es ist nie persönlich 
Nach Jahren des Mordens im inoffiziellen Regierungsauftrag, ist Evan in den Untergrund gegangen. Er hilft nun den Verzweifelten, die mit ihren Problemen nicht zur Polizei gehen können - mit allen Fähigkeiten, die ihm zur Verfügung stehen. Dabei hält er sich strikt an seine eigenen Gebote. Doch diesmal bricht er eine der Regeln und sein Auftrag entwickelt sich zur Katastrophe. Nun muss er gegen ein Gebot nach dem anderen verstoßen, damit das allerwichtigste unangetastet bleibt:
10. Gebot: Lasse niemals einen Unschuldigen sterben"
Zwölf Jahre ist Evan alt, als er und seine Freunde von einem Mann auf dem Basketballfeld beobachtet werden. Kurz darauf findet er sich auf dem Beifahrersitz eines Oberklassewagens wieder... 
"Wofür brauchen Sie mich eigentlich?" "Das kann ich dir jetzt noch nicht sagen." Jack fährt eine Weile schweigend weiter, merkt dann scheinbar, dass seine Antwort für einen Jungen in Evans Lage nicht ausreichen dürfte. "Ich werde dir vielleicht nicht alles sofort erzählen,... aber ich werde dich niemals belügen." Evan sieht ihn prüfend an. Entschließt sich, ihm zu glauben. "Wird es wehtun?" Jack fährt weiter, den Blick stur geradeaus gerichtet. "Manchmal."
Der Einstieg trocken, kühl aber nicht gefühllos und er zieht sofort ins Buch. Evan wird zur perfekten Tötungsmachine, er kann es auf tausend Arten und ist dabei so unauffällig, dass er mit jeder Wand verschmilzt und in jeder Menge untergeht. Evan, das perfekte Werkzeug seiner Regierung - oder doch nicht?
Es ist schwer die Leseeindrücke in Worte zu fassen, es gibt Momente in diesem Buch die sind so genial, dass man staunend im Lesen inne hält, und über das Gelesene nachdenkt und die Kreativität und Kunstfertigkeit des Autors bewundert, eine ganze Palette an Gefühlen in nur drei kurzen Sätzen. Doch dann der Schnitt und es setzt eine langatmige Erzählung über die Nachbarn oder die Umwelt ein. Da stellt sich mir die Frage, warum dieses Geschwafel, die Handlung braucht es nicht und das Verständnis für die Situation hast Du in der kurzen Sequenz vorher bereits erreicht... 
Die teils offene, teils verdeckte Kritik an der Regierung und ihren Methoden hat mir sehr gut gefallen, auch die Ethik, mit der Evan seinem blutigen Handwerk, nun nicht mehr im Auftrag der Regierung, nachgeht, ist interessant und beeindruckend. Ein einsamer Mann, der sich mit Pflanzen beschäftigt und eine Aloe behandelt wie eine Geliebte.
Doch der Autor traut sich nicht ganz in den Film noir, und so kommt die fröhliche Umwelt und führt den Killer in Versuchung. Und dieser Bruch hat mich sehr gestört, denn jetzt hatte ich das Gefühl amerikanisches Hollywood Kino zu lesen. Ja, auch ein Killer hat Gefühle und denkt über ein anderes Leben nach, ist also ganz normal und damit für die Gesellschaft noch zu retten... Das Ende läßt eine Fortsetzung zu, mal schauen, ob wir noch mehr von Evan lesen.
Fazit: Das Buch hat mich zwiespältig zurückgelassen, den Verweis der Verlagswerbung auf Jason Bourne und Jack Reacher sollte man wörtlich nehmen, aber hier wäre mehr möglich gewesen. Denn es klingt eine Düsternis an, die ich bei vielen aktuellen Thrillern vermisse. Dieses Buch ist zu gefällig und könnte so viel mehr sein. Trotzdem ragt es aus dem aktuellen Einheitsbrei heraus und ist Thrillerlesern zu empfehlen.