Rezension

Bitte mehr davon!

Zorn - Wo kein Licht - Stephan Ludwig

Zorn - Wo kein Licht
von Stephan Ludwig

Bewertet mit 5 Sternen

»Ein dünnes Wimmern, der Ruf eines zu Tode geängstigten Kindes. Wie lange er ihn warten lassen musste, würde sich bald herausstellen, ein paar Tage vielleicht. Er wusste, wann ein Mensch kurz davor ist, dem Wahnsinn zu verfallen, wann auf die Ungewissheit die Angst folgt, um der nackten Panik zu weichen. Und dann, wenn diese Panik den Verstand einfach wegwehen würde wie eine Frühlingsböe ein Papiertaschentuch, wenn aus einem vernunftbegabten Wesen ein willenloses Stück Fleisch geworden war, genau dann, in diesem Moment, würde er zu ihm gehen.«

Ein Mann wurde scheinbar in den Selbstmord getrieben, ein Richter wird vermisst und Schröder liegt nach einem Unfall im Krankenhaus – eine wirklich üble Situation für Hauptkommissar Claudius Zorn, auf dessen Schreibtisch sich nun die Arbeit stapelt. Zudem passieren in der ehedem ruhigen mitteldeutschen Stadt mittlerer Größe innerhalb weniger Tage weitere schwere Verbrechen und Zorn wird plötzlich eins klar: Alles gehört irgendwie zusammen…

 

Der dritte Fall für Zorn und Schröder ist bislang mein Favorit. Schon die ersten beiden Bände gefielen mir, aber dieser hier ließ für mich keinen Wunsch offen. Wie immer glänzt der Fall mit einerseits Spannung und andererseits wirklich gelungener Unterhaltung – Zorn und Schröder sei Dank! Ich liebe sie, alle beide, und die Dialoge zwischen ihnen sind einfach herrlich…

»Ich weiß genau, was du denkst! … Du glaubst, dass ich mir nichts merken kann, hältst mich für unfähig, als hätte ich das Erinnerungsvermögen einer Nesselqualle!« »Also das hast jetzt aber du gesagt, Chef! … Mit Nesselquallen kenne ich mich überhaupt nicht aus. Aber ich habe gelesen, dass Tintenfische sehr kluge Tiere sein sollen.«

Außerdem gibt es weitere Fortschritte zu vermelden, was die Qualität ihrer Freundschaft angeht. Nicht nur diese, sondern auch die einzelnen Charaktere entwickeln sich weiter und geben sehr interessante Einblicke in ihr Wesen und ihre Vergangenheit.

 

Trotz dieser unterhaltsamen Einlagen bleibt der Fall durchgehend spannend. Logikschwächen konnte ich keine entdecken, falsche Fährten gab’s auch – so mag ich das! Empfindsame Leser sollten sich nur darauf gefasst machen, dass einige Stellen reichlich brutal und eklig sind. Zum Ausgleich gibt es ja immer wieder was zu lachen, kann man sich über die enorme sprachliche Kreativität des Autors freuen. Da wird ein Schnarchen zum „Brunftschrei eines verschnupften Elchbullen“ und wenn Zorn gedanklich über seinen Nebenbuhler schimpft, tituliert er ihn mit Ausdrücken wie „Tofubratling“ oder „singendes Sojawürstchen“ (alle Vegetarier mögen ihm bitte verzeihen!)

 

Ein bisschen Anspruch darf auch noch sein. Der zeigt sich zum Beispiel in Schröders Umgang mit seinem dementen Vater. Und auch darüber hinaus gibt es mehrere Punkte, die mich beim Lesen betroffen oder wütend gemacht haben. Allein der Titel des Buchs ist schon so etwas von zutreffend – in mehr als einer Hinsicht!

 

Fazit: Große Klasse! Bitte mehr davon!

 

»Eine schlüssige Gedankenkette, Chef.« »Und ich bin von ganz allein darauf gekommen.« »Ich ebenfalls.« »Ach!« Schröder gestattete sich ein feines Lächeln. »Allerdings vor zwei Stunden.«