Rezension

Bleibt etwas hinter dem ersten Teil zurück

Himmlische Träume - Joanne Harris

Himmlische Träume
von Joanne Harris

Vianne kehrt in das kleine verschlafene Dorf in Frankreich zurück und muss sich mit einer völlig veränderten Situation auseinander setzen. Es hat sich eine neue Siedlung von Maghrebinern am Rand des Dorfes gebildet. Anfangs gehen die Dorfbewohner tolerant aufeinander zu und es findet eine kulturelle und soziale Annäherung statt. Doch eines Tages kippt die Stimmung und die religiösen Fronten verhärten sich. Christen wie Muslime ziehen sich stärker in ihren Glauben zurück. Besonders die muslimischen Frauen beginnen vermehrt, sich zu verschleiern und sich aus dem öffentlichen Leben zurückzuziehen.

Im Englischen heißt das Buch “Peaches for Monsieur Le Curé” und dieser Titel trifft es weitaus besser, als der verkitschte deutsche Titel. Denn ein Pfirsichbaum und die Annäherung der verschiedenen Personen über die süßen Früchte spielt eine zentrale Rolle. Himmlische Träume habe ich jetzt nicht wirklich gefunden. Und was sagt dieser Titel schon aus? Soll er auf ein romantisches Buch hinweisen? Es ist KEIN Liebesroman.

Im Kern geht es um den Umgang mit Interkulturalität, Vorurteilen und das soziale Miteinander in einer so engen Gemeinschaft wie einem kleinen Dorf. Die Spannung eskaliert schließlich in dem Brand der alten Chocolaterie von Vianne, die nun eine Schule für muslimische Mädchen ist und von der geheimnisvollen vollverhüllten “Frau in Schwarz” geführt wird. Hier tritt nun Vianne wieder in das Dorfleben ein. Mit ihren Töchtern will sie den Sommer in ihrer früheren Heimat verbringen und versucht den Spannungen und Geschehnissen mit Offenheit und Toleranz zu begegnen. Sie sieht sich selbst als eine Außenstehende der Gesellschaft und versucht aus dieser Position die beiden Fronten zu verstehen und zwischen ihnen zu vermitteln.

Zum Stil: Ich finde es etwas problematisch und nicht unbedingt geschickt gemacht, dass das Buch (wie der erste Teil) aus den wechselnden Perspektiven vom Dorfpriester Reynauld und Vianne erzählt. Die unterschiedlichen Erzähler werden durch ein Kreuzsymbol und einen Halbmond verdeutlicht. Die Zeichen finde ich doch sehr irreführend, weil Vianne wirklich neutral gegenüber den religiösen Vorurteilen und selbst eindeutig atheistisch gesinnt ist, sie ergreift im Verlauf der Handlung nie Partei. Der Wechsel zwischen den beiden Erzählern frustriert manchmal und ist irgendwie nicht flüssig, sondern reißt einen immer wieder aus dem Lesefluss.
Auch die blumige Sprache und die vielen Schnörkel und Stimmungsbeschreibungen sind mir persönlich zu ausufernd. In den vorherigen Bänden war diese Art zwar auch stilbildend, aber nicht vorherrschend. Hier hätte ein gutes Lektorat, das das Buch um gut ein Drittel verschlankt hätte, wahre “himmlische Wunder” vollbringen können.

Darum mein Fazit:

Die Grundidee ist wirklich gut, der Plot, die Figuren und Motive einleuchtend, realistisch und sehr gut nachvollziehbar. Ich habe mich wirklich gern mit Vianne nach Lansquenet begeben, und mich darauf gefreut, mehr über Roux und ihre beiden Kinder zu erfahren. Man trifft liebgewonnene Charaktere aus dem ersten Teil wieder und es kommt ein bisschen “Chocolat”-Feeling auf. Leider verliert sich die Autorin in ihrem spirituellen Geschwafel über Winde, Seelenfarben und Vorahnungen. Dadurch gehen die kleinen Nebenhandlungen um Viannes Töchter und andere charmante Figuren leider völlig unter.  Schade!