Rezension

Bleibt hinter meinen Erwartungen zurück

Da sind wir - Graham Swift

Da sind wir
von Graham Swift

Bewertet mit 3 Sternen

Die Zauberkunst war der Schuldige

„Dann war die Saison vorbei, und das, worüber alle sprachen, war weiter nichts als das, es existierte nur in der Erinnerung derjenigen, die es gesehen hatten, mit eigenen Augen, in den wenigen Wochen des Sommers. Nach und nach würden diese Erinnerungen verblassen. Vielleicht würden die Menschen sich fragen, ob sie es wirklich gesehen hatten.“

Inhalt

Ronnie Dean ist Zauberer, erlernt hat er sein magisches Handwerk bei seinem Ziehvater, der ihn all die spektakulären Tricks zeigte und in ihm den Wunsch säte, selbst ein Meister der Illusion zu werden. Gemeinsam mit Jack Robbins stellt er ein unterhaltsames Sommerprogramm für die Feriengäste in Brighton auf die Beine. Direkt am Pier entführen die zwei Künstler ihr Publikum in ein buntes Reich voller Zauberei und Entertainment. Jack unterbreitet den Vorschlag, dass eine weibliche Assistentin ihr Programm noch wesentlich anziehender gestalten könnte und Ronnie sucht per Annonce die passende Partnerin für seine Kunststücke. Diese ist bald gefunden und als Evie White in ein schillerndes Kostüm schlüpft und Ronnies Zaubereien begleitet, wird das Programm ein spektakulärer Anziehungspunkt. Und auch die beiden jungen Männer verlieben sich in die schöne Evie, die bald Ronnies Verlobungsring am Finger trägt und doch mit Jack anbandelt. Der Sommer wird zeigen, wie die Geschichte verläuft …

Meinung

Dies war mein erster Roman aus der Feder des englischen Erfolgsautors Graham Swift, der mittlerweile zu den Stars der britischen Gegenwartsliteratur zählt und 1996 mit dem Man Booker Price ausgezeichnet wurde. Und doch konnte mich die hier erlebbar gemachte Geschichte, in weiten Teilen nicht überzeugen. Vielleicht liegt es an der unglücklichen Ausgangssituation, denn erwartet habe ich eine emotionale Dreiecksgeschichte mit starken Persönlichkeiten und diese spielt leider nur eine untergeordnete Rolle, sie verkommt fast zur Nebensächlichkeit. 

Ganz präsent hingegen wirkt die Stimme eines übergeordneten Erzählers, der versucht auf wenigen Seiten, die Sommersaison eines Künstlertrios lebendig werden zu lassen. Dabei vollzieht er mehr Zeitsprünge als nötig gewesen wären. Im ersten Drittel des Romans steht Ronnies Kindheit im Mittelpunkt, seine ersten Kontakte mit der Zauberei, die er im Haus seiner Ziehfamilie erworben hat, auch die ursprüngliche familiäre Situation bezüglich einer alleinerziehenden Mutter und des leiblichen Vaters, der als Seefahrer nie anwesend war, bekommt einen hohen Stellenwert eingeräumt. Später dann ein kurzer Wechsel zu dem verhängnisvollen Sommer, in dem sich zwei Männer in die gleiche Frau verlieben und im letzten Teil der Rückblick auf ein gelebtes Leben aus Sicht von Evie White, die bis zuletzt zu verstehen versucht, welche Rolle Ronnie in ihrer Dreiecksbeziehung spielte und wie es ihm gelungen ist so effizient und nachhaltig aus dieser zu verschwinden – scheinbar ein Akt der Zauberei in Perfektion.

Der Geschichte selbst mangelt es an Aussagekraft, da sie sich immer wieder zwischen ihren Figuren verflüchtigt und diese fehlende Ausrichtung macht das Lesevergnügen alsbald zu einer behäbigen Fassung einer an sich hochdramatischen Situation. Es gelingt diesem omnipotenten Erzähler einfach nicht, die Emotionen der Betroffenen spürbar zu machen und ihrer magisch-hypnotischen Wirkung gerecht zu werden. Eigentlich passiert auch nichts Schlimmes, denn die Frau hat sich gleich zu Beginn umentschieden, ist aber ohne Reue bis zum heutigen Tag ganz bewusst bei ihrer Wahl geblieben. Die kurzzeitige Liaison zwischen ihr und dem Zauberer, erscheint mir persönlich nicht der Rede wert. Sicherlich hat Evie ihren Jack nur durch Ronnie kennengelernt - aber wo bitte ist da das Problem? Keiner der Protagonisten empfindet die gemeinsame Zeit als Verschwendung, niemand beschwört das große Drama herauf und die Entwicklung verläuft in geruhsamen Bahnen. An dieser Stelle wurde leider enorm viel Potential verschenkt, so das mich letztlich auch der Flair des Buches nicht mitreißen konnte.

Fazit

Leider kann ich hier nur drei wohlwollende Lesesterne vergeben, da mich dieser kurze Roman kaum berühren konnte. Mein Urteil schwankt zwischen langweilig und desorientiert und ich hatte beständig das Gefühl, das „falsche“ Buch des Autors gewählt zu haben. Denn prinzipiell hat mich seine Art zu beschreiben und die Sachverhalte darzustellen überzeugt. Die Sprache und der Gesamtstil konnten meinen Lesegeschmack durchaus treffen, so dass ich den Text zwar gerne gelesen habe, ihm aber inhaltlich nichts abgewinnen konnte. Deshalb ist für mich klar: ich muss es mit einem anderen Roman von Graham Swift probieren, vielleicht hat er sich bei dieser Geschichte etwas verzettelt, sowohl in der Wirkung als auch in der Ausführung. Die Rolle des bloßen Zuschauers mag für eine Verfilmung nützlich sein, literarisch sind es eindeutig zu viele unschöne Leerstellen, die durch bunte Bilder gewinnbringend ersetzt werden könnten, nur findet man diese allerhöchstens auf dem Cover.