Rezension

Blick auf die Sowjetunion am Ende der Stalin-Ära

Guten Morgen, Genosse Elefant - Christopher Wilson

Guten Morgen, Genosse Elefant
von Christopher Wilson

Juri Zipit, den zwölfjährigen Sohn des Moskauer Zoodirektors und Professors für Veterinärmedizin, verschlägt es zufällig in das Umfeld von Josef Stalin, nachdem Juris Vater zum Diktator gerufen wird, um diesen medizinisch zu untersuchen. Der naive Junge, der die Eigenschaft besitzt, dass ihm jeder sofort ungefragt seine Geheimnisse erzählt, wird zum Vorkoster des alten und kranken Diktators. Was Juri in den wenigen Wochen mit Stalin und dessen Entourage erlebt, ist Gegenstand dieses kleinen, aber feinen Romans von Christopher Wilson.

Dieses Buch ragt meines Erachtens aus den Neuerscheinungen der letzten Wochen deutlich heraus. Durch den Kunstgriff, mit dem unverstellten naiven Blick eines Kindes die Ereignisse und Intrigen in Stalins Datscha zu beschreiben, sorgt der Autor beim Leser immer wieder für Momente der Heiterkeit. Mit Fortschreiten der Handlung bleibt einem das Lachen aber immer mehr im Halse stecken, da die Menschenverachtung und Brutalität in dieser Spätphase des Stalinismus den Leser immer wieder erschüttern. Der Roman liefert geradezu herzzerreißende Momente, wie die Begegnung von Juri mit seinem Vater im Gefängnis. Der naive Optimismus des Jungen ist in diesen Momenten kaum zu ertragen. Der Roman schafft es jedoch hervorragend, die Balance zwischen absurden und deshalb humorvollen Momenten und dem tragischen Kern der Geschichte zu halten. Daher von mir 5 Punkte und eine klare Leseempfehlung. Ich freue mich bereits auf das nächste Werk von Christopher Wilson.