Rezension

Blutiger Psychothriller, der ohne Effekthascherei auskommt und mit akribischer, authentischer Kriminalarbeit überzeugt

Der Kastanienmann - Søren Sveistrup

Der Kastanienmann
von Søren Sveistrup

Bewertet mit 5 Sternen

Eine Frauenleiche wird grausam verstümmelt auf einem Spielplatz in Kopenhagen aufgefunden. Über ihr baumelt ein gebasteltes Kastanienmännchen. Motiv und Hintergrund für das Verbrechen an der Mutter eines achtjährigen Jungen sind unklar. Rätsel wirft vor allem das Kastanienmännchen auf, an dem der Fingerabdruck von Kristine Hartung gefunden wird. Das sechsjährige Mädchen ist die Tochter der Sozialministerin Rosa Hartung und war vor einem Jahr spurlos verschwunden. Der Fall gilt als aufgeklärt, da ein psychisch kranker Mann aufgrund von Indizien gefasst wurde und gestanden hatte, das Mädchen ermordet zu haben. 

Mit dem aktuellen Mordfall sind die beiden Kriminalkommissare Naia Thulin und Mark Hess betraut, wobei insbesondere Hess, der bei seiner Verwendung bei Europol negativ aufgefallen und gerade zurück nach Kopenhagen geschickt worden ist, drängt, dass es eine Verbindung zwischen dem aktuellen Mord und der Entführung der kleinen Hartung geben musss. Dann passiert ein weiterer Mord. Wieder ist es eine junge Mutter und wieder wird ein Kastanienmännchen mit einem Fingerabdruck von Kristine Hartung gefunden. 

Nach einem Prolog im Jahr 1989 setzt die Handlung im Oktober der Gegenwart ein und erstreckt sich über einen Monat. Der Psychothriller schockiert zunächst durch die Grausamkeit des Mörders und ist zudem so facettenreich und dynamisch erzählt, dass man als Leser durchgehend von der Handlung gefesselt ist. Die stetigen Perspektivwechsel sorgen für einen allumfassenden Überblick über die Geschehnisse ohne zu viel zu verraten. 
Es herrscht eine unbehagliche Stimmung, da aufgrund der Symbolik des Kastanienmanns und der verstümmelten Frauenleiche mit weiteren Opfern zu rechnen ist. Dies gilt es für Thulin und Hess zu verhindern und dem Täter zuvorzukommen. Die Ermittlungen gestalten sich jedoch schwierig, da der Täter der Polizei stets einen Schritt voraus zu sein scheint und innerhalb der Polizeistrukturen in Kopenhagen kein Interesse besteht, den spektakulär aufgeklärten Mord an der Politikertochter Hartung wieder aufzurollen. 
Thulin und Hess - beide starke und nur bedingt teamfähige Charaktere - haben dabei eine ganz unterschiedliche Herangehensweise und sorgen für kurzweilige und spannende Ermittlungsansätze, die zum miträtseln anregen. Immer dann wenn man denkt, kurz vor der Aufklärung des Falls zu sein, schafft es der Autor durch wohl dosierte Plottwists zu überraschen und der Handlung eine neue Richtung zu geben. 

"Der Kastanienmann" ist ein komplexer, aber wohl durchdachter, schlüssiger Fall, der durch zwei interessante und eigenwillige Ermittler bearbeitet wird und auf den über 600 Seiten niemals langweilig wird. Es ist ein blutiger Psychothriller und wendungsreicher Pageturner, der niemals langweilig wird, ohne Effekthascherei auskommt und mit akribischer, authentischer Kriminalarbeit überzeugt.